Die Fahrt Zu Den Sternen
er sieht krank aus. Ich glaube, sie haben ihm etwas angetan. Laß uns auch ihn befreien. Vielleicht weiß er ja, wie man diese Manipulationen wieder beenden kann, die die Palomellaner angefangen haben. Können wir das tun? Bitte?« Dem beschwörenden Flehen, das Acorna in ihre Stimme legte, vermochte Markel keinen wirklichen Widerstand entgegenzusetzen – ganz besonders nicht gegen den Arm, den sie um ihn gelegt hatte, und gegen die tröstende Wärme ihres weichen weiblichen Körpers, der ihm jene mitfühlende Liebe gab, die er so lange und so verzweifelt entbehrt hatte.
»Er wird aber leise sein müssen«, gab er sich deshalb geschlagen.
»Ich glaube kaum, daß das ein Problem sein wird«, erwiderte sie und half Markel, das Belüftungsgitter abzuschrauben.
Dr. Ngaen Xong Hoas schlanke Gestalt paßte zwar ohne Schwierigkeiten durch die enge Schachtöffnung, aber er war so schwach, daß sie ihm viel mehr helfen mußten, als Acorna erwartet hatte; er vermochte kaum aus eigenen Kräften etwas zu der Arbeit beizusteuern, ihn in den Schacht hochzuhieven.
Als er es endlich ganz in den Tunnel geschafft hatte, wurde ihr auch klar, warum er so hilflos gewesen war. Selbst in dem schlechten Licht konnte Acorna deutlich sehen, was man mit den Händen und Armen des Mannes angestellt hatte. Acorna täuschte vor, sich tiefer hinunterbeugen zu müssen, um die Befestigungsschrauben des Belüftungsgitters wieder einzusetzen, und sorgte dabei dafür, daß ihr Horn – durch das hauchdünne Gewebe ihres Hutes hindurch – beide zerschmetterten Hände berührte.
Nunmehr in großer Eile, führte Markel sie von der leeren Zelle fort, um eine Biegung des Luftschachts herum und hinüber auf die andere Seite des Gefängnistraktes. An einer dortigen Röhrenkreuzung lehnte er Dr. Hoa vorsichtig gegen eine Schachtwand und wies ihn mit an die Lippen gelegtem Finger nachdrücklich an, dort zu bleiben und leise zu sein. Dr.
Hoa nickte, nur allzu froh, dieser Anweisung Folge leisten zu können. Dann bedeutete Markel Acorna, sich an dem Wissenschaftler vorbeizuschlängeln. Er brachte seine Lippen an ihr Ohr und sprach leise, aber deutlich:
»Wir müssen jetzt sofort deinen Freund rausholen, weil sie das ganze Schiff in Großalarm versetzen werden, sobald sie erst mal merken, daß Dr. Hoa verschwunden ist. Sie werden es auf der Suche nach ihm völlig auf den Kopf stellen und was weiß ich noch alles anstellen. Wir werden also wahrscheinlich keine zweite Gelegenheit kriegen, ihn zu befreien. Kannst du mir irgendwie helfen, herauszufinden, wo er gegenwärtig steckt?«
Acorna schloß die Augen. Wenn ihr Horn doch nur die Macht besäße, Leute nicht nur zu heilen, sondern auch aufzuspüren!
Vielleicht hat es die sogar, dachte sie… Ich habe noch nie einen anderen meiner Art getroffen. Woher will ich also wissen, was ich alles kann?
In Gedanken sammelte sie sich und versuchte, sich Calums Gesichtszüge vorzustellen, aber alles, was sie erspüren konnte, war die Aura des Elends, die den ganzen Bereich rings um die Gefängniszellen herum ausfüllte… und irgend etwas über…
Karten? Sie schüttelte den Kopf, versuchte klar zu denken.
Wie sollte sie sich darauf konzentrieren, Calum zu finden, wenn sie fortwährend dieses irritierende Gefühl hatte, daß jemand ihr einen Vortrag darüber zu halten versuchte, wie man eine Karte kolorierte? Es kam ihr vor, als ob irgendwo unter ihrer rechten Hand eine ganze Geographieklasse zugange wäre… nein, nicht Geographie. Sonderbare, halbvertraute Worte drangen ihr in den Kopf.
»Hypothese… Lemma… einfache geschlossene Kurve…«
Na, was sagt man dazu!
»Ich glaube«, sagte sie bedächtig, »daß er in der Zelle ganz hinten rechts sein könnte.«
Calum war so sehr in die Diagramme versunken, die er auf seine Zellenwand zeichnete, daß sie mehrere Male energisch zischen mußte, bevor er es endlich registrierte – und selbst dann schaute er nicht hoch.
»Moment, ich überlege gerade«, murmelte er gedankenverloren – und fuhr dann mit einer komischen Verrenkung herum, richtete die Augen so ruckartig nach oben, daß er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. »Acorna?
Was zum – «
»Wir retten dich«, erklärte Acorna geduldig.
»Wer ist wir? Und hast du irgend etwas dabei, auf das ich diese Berechnungen hier abschreiben kann? Ich möchte sie nicht verlieren, und das Problem damit, Diagramme in das Kondenswasser an dieser Wand zu malen, besteht darin…«
»Sollen doch zehntausend
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