Die Falken Gottes
näherten, desto schwieriger wurde es dann aber doch, voranzukommen. Oft verstopften mehrere Kaleschen und Kutschen die Straßen. Viele dieser Gefährte waren reich verziert und geschmückt. Die Sitze waren inwendig mit rotem Samt ausgeschlagen, und die Kutscher trugen prachtvolle Kleidung aus schwarzem oder blauem Tuch, geschmückt mit breiten weißen Schnüren. Die meisten Kutschen wurden zudem von einer Handvoll livrierter Pagen oder einer bewaffneten Garde begleitet, die lautstark bemüht waren, den Karossen Platz zu schaffen.
In diesen Gefährten saßen also die Edelleute, die in der Stadt über einen Frieden verhandelten und sich anscheinend zu fein waren, einen Fuß auf die Straße zu setzen. Anneke vermutete, daß sie schon eine Kutsche anspannen ließen, wenn sie nur ihren Nachbarn aufsuchen wollten.
Seybert lächelte selig. »Gott gebe, daß diese eitlen Pfauen noch lange in dieser Gegend bleiben.« Er schaute Anneke an. »Sie tragen mir soviel Geld in meine Kasse, daß ich jeden Abend vor dem Herrn auf die Knie sinke und darum bete, daß ihre Differenzen unlösbar sein mögen.«
Anneke dachte an die zahlreichen Gäste aus Osnabrück und Münster, die Seyberts Schankwirtschaft in den vergangenen Jahren aufgesucht hatten. Sie konnte verstehen, warum er sich darum sorgte, daß die hohen Herren allzuschnell einen Frieden abschließen würden. Mit dem Ende |38| dieses Kongresses würde Seyberts Schenke nicht mehr als eine schlichte Dorftaverne sein, in der nur noch selten ein Gast eintraf.
»Wie lange dauern diese Verhandlungen schon an?« fragte Anneke.
Seybert überlegte kurz. »Es müssen an die vier Jahre vergangen sein, seit die ersten hohen Herren eingetroffen sind. Man sagt, die blasierten Gecken hätten zu Beginn des Kongresses Monate damit verbracht, sich darüber einig zu werden, in welcher Reihenfolge sie zu den Beratungen die Säle betreten durften.«
»Und es käme Euch gewiß sehr gelegen, wenn die Herren nach einem Friedensschluß noch ein weiteres Jahr in Osnabrück und Münster verweilen würden, um herauszufinden, in welcher Abfolge sie in ihre Heimatländer abreisen sollen.«
Seybert lachte auf. »Das hast du gut erkannt. Übrigens könnte auch für dich der eine oder andere Pfennig abspringen, wenn meine Geschäfte weiterhin so gut laufen.«
Anneke ahnte, daß Seybert keineswegs vorhatte, ihr das Geld zu schenken. Der Gedanke, ihn noch einmal zu küssen, widerte sie an, und sie biß sich auf die Zunge, um sich die Bemerkung zu verkneifen, daß er sein Geld doch besser zu den Huren tragen solle, wenn ihn sein Weib nicht mehr zu reizen vermochte.
Endlich erreichten sie den Marktplatz, der von dem Rathaus und der Kirche St. Marien umrahmt wurde. Anneke erinnerte sich daran, daß sich das Rathaus zur Zeit ihrer Kindheit in einem bedauernswerten Zustand befunden hatte. Inzwischen waren das Dach repariert und die Fenster gestrichen worden. Zudem waren an den Außenwänden Stangen angebracht worden, an denen mehrere wappengeschmückte Flaggen träge im Wind schaukelten.
Trotz der zahlreichen ausländischen Gäste war der Markthandel |39| nicht mehr so ausgeprägt, wie Anneke ihn in Erinnerung hatte. Auf dem Marktplatz waren deutlich weniger Stände als zur Zeit ihrer Kindheit aufgestellt worden. Schon auf der Fahrt durch die Stadt war Anneke aufgefallen, daß viele Geschäftsleute und Handwerker ihre Waren auf Tischen vor den eigenen Häusern auslegten. Auch dies war mit ein Grund dafür, daß die Kutschen und Wagen oft in den Straßen feststeckten.
Seybert führte sechs Bierfässer mit sich, die er einem Schankwirt in der Hasestraße verkaufen wollte. Zudem hatte er vor, auf dem Markt Kräuter für die Grut sowie einige Säcke Gerste und Malz zu besorgen. Als Anneke ihm sagte, daß sie sich alleine in der Stadt umsehen wollte, brummte er nur ungehalten: »Bleib besser in meiner Nähe! Womöglich verläufst du dich in den Gassen, oder du wirst von einer der Kutschen zerdrückt.«
»Ich weiß auf mich aufzupassen«, meinte Anneke. »Wenn Ihr die Stadt verlaßt, werde ich mich am Tor einfinden.«
Seybert deutete zum Kirchturm. »Wenn es zur elften Stunde schlägt, hast du dort zu sein. Ansonsten wirst du laufen müssen. Ich warte nicht auf dich.«
Anneke nickte. Ihr blieben fast eineinhalb Stunden. Gewiß genug Zeit, um in der Lohstraße nach Magnus Ohlin zu suchen.
»Ich werde dort sein«, rief sie und machte sich auf den Weg.
Eine Weile trödelte sie noch auf dem Markt herum und
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