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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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sich um. »Und wo ist er … Euer Ehemann?«
    »Nicht hier, wie Ihr unschwer erkennen könnt.«
    Der Händler musterte sie aus schmalen Augen, doch Anneke nahm an, daß ihr kleiner Schwindel sehr überzeugend gewirkt haben mußte. Zumindest wählte er inzwischen eine höflichere Form der Anrede und behandelte sie nicht mehr ganz so herablassend.
    »Wenn Euer Mann das Geld springen läßt, dann besucht meinen Laden in der Neustadt. Ihr findet mich dort in der Rosenstraße. Fragt nach Anselm Hartiger!« Er nahm Anneke das Buch aus den Händen und legte es fort. »Fünf Schillinge und keinen weniger.«
    »Ich werde mit ihm reden«, sagte Anneke und wandte sich um. Sie seufzte, betrübt darüber, daß es keinen Ehemann gab, der dieses Buch für sie bezahlen würde.
    Es wurde nun Zeit, die Lohstraße aufzusuchen. Glücklicherweise lag ihr Ziel nicht allzuweit vom Markt entfernt. Anneke ließ das Treiben auf dem Platz hinter sich und bog in eine Gasse ein. Von hier aus gelangte sie auf die Bierstraße, die in die Lohstraße mündete. Die Häuser hier machten allesamt einen recht schlichten Eindruck. Da Anneke keine Ahnung hatte, in welchem davon sie Magnus Ohlin finden konnte, klopfte sie an die erstbeste Tür.
    |43| Niemand öffnete ihr. Auch am Eingang des Nachbarhauses war ihr kein Erfolg beschieden. An der dritten Tür sprach sie mit einer alten Frau, die jedoch den Namen Magnus Ohlin noch nie gehört hatte. Im nebenstehenden Haus konnte ihr endlich jemand weiterhelfen, der sie zu einem Haus in der Mitte der Straße schickte, das seines Wissens nach vor einiger Zeit von einem schwedischen Justizrat namens Ohlin mitsamt dessen Ehefrau und ihrem Gesinde bezogen worden war.
    Anneke lief zu dem dreistöckigen Fachwerkhaus, auf das der Mann gewiesen hatte, und benutzte einen gußeisernen Türklopfer, um auf sich aufmerksam zu machen. Kurz darauf hörte sie Schritte, und ein zierliches Dienstmädchen öffnete ihr.
    »Ist dies das Haus von Magnus Ohlin?« fragte Anneke.
    Das Mädchen nickte. »Ganz recht.« Sie maß Anneke mit prüfendem Blick vom Kopf bis zu den Füßen. »Was willst du von ihm?« Auch wenn die Magd ein gutes Deutsch sprach, war ihr schwedischer Akzent deutlich herauszuhören.
    »Ich muß ihn in einer dringlichen Angelegenheit sprechen.«
    Das Mädchen runzelte die Stirn. »Was kann eine wie du Herrn Ohlin schon Wichtiges mitzuteilen haben?« Ihr Tonfall klang spöttisch.
    »Das werde ich ihm schon selber sagen«, erwiderte Anneke spitz.
    Die Magd schüttelte den Kopf. »Herr Ohlin möchte nicht gestört werden. Komm morgen wieder!«
    »Das geht nicht.« Anneke schaute an dem Dienstmädchen vorbei über die Tenne. Die Hintertür des Hauses stand offen. Sie konnte bis zum Hof schauen, wo in diesem Moment ein Mann in herrschaftlicher Kleidung einen Holzschuppen betrat und die Tür hinter sich schloß.
    |44| »Ist er das dort hinten?« Sie deutete zum Hof und machte einen Schritt in die Tenne, woraufhin das Dienstmädchen sie sofort zurückdrängte. »Und wenn schon! Mach, daß du fortkommst!« Ohne eine Antwort abzuwarten, schlug sie Anneke die Tür vor der Nase zu. Anneke ärgerte das anmaßende Verhalten dieser Magd, die sich vor ihr wie eine Dame von hohem Stand aufspielte. Sie klopfte noch einmal an die Tür, doch niemand reagierte darauf.
    Anneke trat mißmutig die Straße entlang und blieb vor einer schmalen Gasse stehen, die am Hinterhof eines der nebenstehenden Häuser entlangführte. Sie betrachtete die mannshohe Mauer, die den Zugang zu den Gärten verhindern sollte. Wenn es ihr gelang, diese Mauer zu überwinden, würde sie auch Ohlins Hof erreichen und den Stall betreten können, in dem sie den Schweden vermutete. Natürlich konnte sie sich großen Ärger einhandeln, wenn jemand sie in den fremden Gärten aufgreifen und für eine Diebin halten würde, doch nach allem, was sie auf sich genommen hatte, um nach Osnabrück zu gelangen, ließ sie sich von diesen Bedenken nicht abschrecken.
    Einen Versuch ist es wert, sagte sie sich und lief in die Gasse.
    Die Mauer war ohne Hilfe kaum zu überwinden, doch in der Nähe befand sich ein Apfelbaum, dessen Äste über die Barriere ragten. Anneke war von Kindesbeinen an eine geübte Kletterin, und so stieg sie mühelos von Ast zu Ast bis in die Baumkrone. Sie kämpfte sich vorsichtig voran und balancierte auf einem der dünneren Äste, der sich bereits gefährlich unter ihrem Gewicht neigte, über die Mauer. Schließlich verlor sie ihren Halt und glitt mit

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