Die Falken Gottes
Anneke.
»Warum sollte ich? Die Gesellschaft Jesu stellt die Speerspitze der katholischen Kirche in ihrem Kampf gegen den Protestantismus dar.«
»Aber hat nicht auch Luther für seinen Glauben gekämpft?« wandte Anneke ein. »Und ich habe davon gehört, daß die Jesuiten viele neue Schulen gründen, um mit den Menschen ihr Wissen zu teilen?«
»Was sie mit ihnen teilen wollen, ist ihre katholische Irrlehre. Der Orden ist mehr wie eine Armee aufgestellt. Die Brüder werden in die ganze Welt ausgesandt, um sich gegen unsere Religion zu stellen. Jeder von ihnen legt ein Gelübde ab, das ihn zu absolutem Gehorsam gegenüber dem Papst verpflichtet. Dieses Gelübde ist so formuliert, daß ein Jesuit sich wie ein toter Körper von der Vorhersehung und vom Willen des Heiligen Vaters führen lassen soll. Und dieser Wille sieht vor, alles zu unterdrücken, was nicht der katholischen Lehre entspricht.«
Anneke war es leid, über die Jesuiten zu disputieren, und zu ihrem Glück war das auch nicht länger nötig, denn bald darauf rief Karl ihnen zu, daß er einen Marktflecken ausmachen konnte. Wie Ohlin es gewünscht hatte, legten sie eine Rast in dem Weiler ein, der aus einer schlichten Kirche bestand, um die sich einige schäbige Katen scharten. Sie fanden hier jedoch auch ein Gasthaus vor, in dem sich Ohlin und Anneke niederließen, während Karl versuchte, für die schwitzenden Pferde Hafer und frisches Wasser zu beschaffen.
|138| In der Gaststube war es nicht besonders sauber, und der Rauch aus der Küche schickte einen ranzigen Geruch in ihre Nasen. Außer ihnen und dem Wirt hielten sich nur noch drei Kleinkinder in der Schankstube auf, die in einer Ecke hockten und mit neugierigen Blicken verfolgten, wie der Wirt zwei Teller mit einem dampfenden Rübeneintopf sowie zwei Krüge Bier vor Anneke und Ohlin abstellte. Der Eintopf war mit Wurststücken gespickt und kräftig gewürzt, das Bier hingegen schmeckte schal.
Die harte körperliche Arbeit der vergangenen Tage hatte Anneke hungrig gemacht, und so verschlang sie hastig den Eintopf, während Magnus Ohlin recht lustlos mit dem Holzlöffel in seinem Teller rührte und nur wenige Bissen zu sich nahm. Sie fragte ihn, ob es ihm nicht schmecken würde, doch er entgegnete nur, er befürchte, sein angeschlagener Magen könne ihm auf der Weiterfahrt einen bösen Streich spielen, und daß er ohnehin keinen großen Appetit verspüre.
Nachdem Anneke ihren Teller geleert hatte, suchte sie den Abtritt auf dem Hof auf und überlegte, ob sie Ohlin bitten sollte, ihr seine Portion auch noch zu überlassen. Als sie zurückkehrte, hatte sich diese Frage bereits erledigt, denn zu Annekes Überraschung saß nun eines der Kinder, ein Mädchen von vielleicht drei Jahren, auf Ohlins Schoß und schnappte mit dem Mund nach dem Löffel, mit dem er sie fütterte. Ohlin tauchte den Löffel wieder in den Eintopf und ließ ihn vor dem Gesicht des Mädchens kreisen, das laut kicherte, als er gegen ihre Nase stupste, so daß ein wenig von dem Essen daran kleben blieb. Die Kleine wischte über ihr Gesicht und patschte mit der Hand auf Ohlins Stirn. Nun erbarmte er sich schließlich und schob den Löffel zwischen ihre Lippen.
Anneke setzte sich an den Tisch und verfolgte das heitere Treiben, das noch eine ganze Weile so weiterging. Es verwunderte sie, mit welcher Hingabe Ohlin seinen Spaß mit diesem Mädchen trieb. Die meisten anderen Männer, die sie |139| kannte, sahen Kinder nur als mehr oder minder nützliche Arbeitskräfte im Haushalt an.
Bald war der Teller geleert, und das Mädchen kletterte von Ohlins Bein und lief lachend zurück zu den anderen Kindern.
Anneke schmunzelte. »Es scheint Euch nicht schwerzufallen, auch die jüngsten Frauen zu betören.«
»Dafür habe ich wohl ein Talent«, meinte Ohlin. »Vielleicht spürst du es ja auch schon.«
Sie lachte. »Es reicht aus, wenn Ihr mich als Eure Geschäftspartnerin betrachtet.«
»Dann würde ich nur ständig an den Doppelschilling erinnert, den mich jeder Tag kostet, den du an meiner Seite verbringst«, erwiderte er seufzend.
Sie tranken noch einen Krug Bier, dann stiegen sie in die Kutsche und nahmen wieder den Weg nach Münster auf. Während die Kutsche über die Straße polterte, blickte Anneke immer wieder zu Ohlin, der mit einer Hand gedankenverloren über seinen Bauch strich und auch nach der Rast noch immer einen elendigen Eindruck auf sie machte. Ihn mußte diese Reise sehr anstrengen, doch er schien fest entschlossen,
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