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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Svante unseren Sohn Kristoffer zur Welt brachte. Er lebte nur drei Wochen. Wir fanden ihn eines Morgens tot in seinem Bett. Ein gesundes Kind, das ganz einfach aufgehört hatte zu atmen. Seit diesem Tag hat Svante niemals wieder das Bett mit mir geteilt.« Er drehte sein Gesicht zum Fenster und schaute mit traurigen Augen hinaus. Anneke bemerkte, daß sich die Finger seiner rechten Hand in den Stoff des Mantels gekrallt hatten, und sie glaubte, daß es nun besser war, eine Weile zu schweigen.

|145| Kapitel 15
    Es dauerte nicht lange, bis Magnus Ohlin einschlief. Sein Kopf sank auf die Schulter, und selbst das heftige Schwanken der Kutsche weckte ihn nicht mehr auf.
    Anneke betrachtete sein Gesicht. Ohlin zog im Schlaf eine mürrische Miene. Träumte er schlecht, oder hing ihm noch immer das Gespräch nach, das sie vorhin geführt hatten?
    Konnte sie alles als Wahrheit hinnehmen, was er gesagt hatte? War diesem Mann überhaupt zu vertrauen? Anneke ahnte, daß er ihr so manches aus seiner Vergangenheit verschwiegen und sie hier und dort vielleicht sogar mit dreisten Lügen abgespeist hatte. Doch sie glaubte Ohlin, daß der Tod seiner Kinder ihm und vor allem seiner Frau arg zugesetzt hatte.
    Wie schmerzvoll mochte es sein, seine Kinder zu beerdigen? Anneke kannte kaum eine Familie, die nicht einen solchen Verlust erlitten hatte. Ihre eigene Mutter hatte drei Kinder im Säuglingsalter zu Grabe getragen. Anneke erinnerte sich daran, daß die Mutter einmal zu ihr gesagt hatte, es sei gefährlich, seinen Kindern allzuviel Liebe entgegenzubringen, denn wenn der Tod sie mit sich nahm, könne dieser Schmerz einem die Seele vergiften. Wie es schien, hatten die Ohlins ihre Kinder so sehr ins Herz geschlossen, daß sie nun einen hohen Preis für diesen Verlust entrichten mußten.
    Von draußen hörte sie die Peitsche knallen. Karl trieb die Pferde in einem so wilden Galopp über die Straße, daß Anneke sich am Fensterrahmen festklammern mußte, um nicht von ihrem Sitz geschleudert zu werden. Wahrscheinlich |146| wollte Karl die Zeit wieder aufholen, die sie während der Rast im Dorf verloren hatten. Sie mußten vor der Dämmerung in Münster eintreffen, denn sonst liefen sie Gefahr, daß die Stadttore bereits geschlossen waren.
    Diese Sorge erwies sich aber als unbegründet, denn es war noch heller Tag, als der Kutscher laut ausrief: »Münster! Ich sehe die Stadt vor uns.«
    Anneke streckte ihren Kopf aus dem Fenster und konnte hinter der massiven Stadtbefestigung die Silhouette Münsters erkennen.
    »Seid Ihr schon oft nach Münster gereist?« fragte Anneke Ohlin, der von Karls Rufen aus dem Schlaf gerissen worden war.
    Er gähnte und rieb seine Stirn. »Gelegentlich. Aber es sind Monate vergangen, seit ich einen Fuß in die Stadt gesetzt habe.«
    »Wie sind die Menschen dort?«
    »Stur und dickschädelig wie alle Westfalen. Du wirst dich also unter ihnen wohl fühlen.«
    Anneke quittierte Ohlins ironische Anspielung mit einem Naserümpfen. Sie fuhren nun auf einer geraden, gut ausgebauten Straße auf ein wuchtiges Stadttor mit gewölbter Steinmauer zu. Nur wenige Gefährte kamen ihren entgegen, darunter ein mit Fässern beladener Leiterwagen und ein Mann, der eine Handkarre zog, auf der sich mehrere verschnürte Ballen befanden. Zu beiden Seiten der Straße waren die Äcker und Gärten mit Flechtzäunen eingefaßt. Die Umgebung wirkte friedvoll. Anneke sah einen abgesteckten freien Platz, auf dem einige Männer versuchten, Metallringe auf einen Stock zu werfen. Andere lagen daneben im Gras und verfolgten träge das Spiel.
    »Schau dir die vielen Gärten an«, sagte Ohlin. »Man hat den Eindruck, die Mahlzeiten der Leute hier würden ausschließlich aus Gemüse bestehen.«
    |147| »Wahrscheinlich fressen die Schweine das Gemüse«, erwiderte Anneke. »Und die Menschen die Schweine.«
    »Schweine gibt es weiß Gott genug in Münster. Sie kommen einer rechten Plage gleich, weil man an jeder Hausecke über sie stolpert.«
    »Die Stadt sieht größer aus als Osnabrück.«
    »Sie ist auch größer, aber ebenso schmutzig. Viele Kongreßteilnehmer haben sich bitterlich darüber beschwert, daß sie von ihren Souveränen in diese recht unbedeutenden und ärmlichen Städte geschickt wurden, um über einen Frieden zu verhandeln.« Ohlin lachte. »Die Gesandten wurden bei ihrem Eintreffen mit Ehrengeschenken sowie einem Spalier von Bürgern und Stadtsoldaten begrüßt, doch kaum hatten sie ihre Quartiere bezogen, da klagten sie auch

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