Die Falken Gottes
wissen, was er von dieser Sache halten sollte. Er zog die Stirn kraus und rührte sich nicht. Erst als Anneke ihn anstieß und ein »Nun geh schon!« zischte, entfernte er sich brummend.
Magnus Ohlin schaute sich im Stall um. Seine Augen blieben an dem Stroh und dem Kuhmist hängen, der an Annekes Rock und Schürze klebte.
»Nicht die angenehmste Arbeit, besonders an einem warmen Tag.«
Anneke hob die Forke auf und konnte noch immer nicht |129| fassen, daß Ohlin vor ihr stand. »Ich hatte befürchtet, Ihr wäret gestorben«, sagte sie.
»Du hast es befürchtet? Vorhin hast du gemeint, du scherst dich einen Dreck um mich.«
»Niemand hätte solch ein klägliches Ende verdient.«
Ohlin zog ein Tuch hervor und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Der Arzt hat mich drei Tage lang erbrechen lassen, bitteren Sud eingeflößt und Klistiere verabreicht. Am vierten Tag war ich noch immer kraftlos wie ein Greis, aber immerhin konnte ich bereits ohne Hilfe aus dem Bett aufstehen. Heute morgen endlich habe ich mich kräftig genug gefühlt, die Kutsche zu besteigen.«
Kräftig wirkte er nun wirklich nicht, dachte Anneke. Man konnte auf den ersten Blick, erkennen, daß Ohlin noch immer unter den Folgen des Giftanschlags litt.
»Ich will, daß du mit mir nach Münster kommst«, sagte Ohlin.
»Seid Ihr dazu denn überhaupt in der Lage?« meinte Anneke. »Ihr macht auf mich den Eindruck, als würdet Ihr jeden Moment zusammenbrechen. Eure Frau muß sehr in Sorge um Euch sein.«
»Um ehrlich zu sein: Ich habe mich wie ein Dieb vor ihr davongestohlen.«
»Sie weiß nicht, daß Ihr nach Münster reist?« fragte Anneke überrascht.
»Svante hätte mich niemals gehen lassen. Ich habe ihr einen Brief zurückgelassen.«
Wer hätte nicht versucht, ihn in dieser Verfassung zurückzuhalten? überlegte Anneke.
»Also, Anneke«, sagte Ohlin, »meine Offerte hat nach wie vor Bestand. Zwei Schillinge für jeden Tag, den wir fort sind. Die gleiche Summe muß ich übrigens auch an die übellaunige Vettel zahlen, die in der Schenke das Regiment führt.«
|130| »Die Monsbacherin hat also bereits zugestimmt, daß ich Euch begleite?«
Ohlin nickte. »Sie war zunächst ein wenig störrisch, doch die klingende Münze hat ihre Meinung rasch geändert.«
Anneke mußte an die eindringliche Moralpredigt denken, die Lucia Monsbach ihr gehalten hatte, und wie rasch diese Worte doch ihre Bedeutung verloren, wenn eine gewisse Summe Geld ins Spiel kam.
Sie hob ihre dreckige Schürze an. »Soll ich etwa so in Eure Kutsche einsteigen?«
»Besitzt du noch saubere Kleidung?«
»Für den Sonntag.« Das gute Hemd und der schwarze Rock, die sich in einer Truhe in Annekes Kammer befanden, trug sie für gewöhnlich nur zum Kirchgang am Tag des Herrn, doch in dieser besonderen Situation würde es keine Sünde sein, die Kleidung schon am Samstag anzuziehen.
»Dann wechsle rasch deine Sachen«, meinte Ohlin. »Ich werde bei der Kutsche auf dich warten.«
Anneke trat aus dem Stall und sah, daß vor der Schenke eine Kutsche bereitstand. Es war das Gefährt, in dem sie Ohlin und die Magd Ebba bei ihrem Liebesspiel überrascht hatte. Auf dem Kutschbock hockte ein grobschlächtiger Kerl mit einer Pfeife im Mund, der zum Gruß die Hand an die Krempe seines Schlapphutes hob.
»Das ist Karl«, stellte Ohlin den Kutscher vor. »Manchmal ein wenig griesgrämig, aber du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.«
»Warum sollte ich vor ihm Angst haben?« meinte Anneke. »Ihr seid meiner Dienstherrin begegnet. Schlimmer kann Euer Kutscher nicht sein.«
Anneke eilte in die Schankwirtschaft und in ihre Kammer, wo sie die schmutzigen Kleider abstreifte und gegen den Rock und das Hemd aus der Truhe wechselte. Sie hatte |131| gerade die Bänder über ihrer Brust zurechtgezogen, als Lene durch die Tür trat.
»Wendel hat mir gesagt, daß dieser Ohlin hier aufgekreuzt ist. Was will er von dir?« fragte sie aufgeregt.
Anneke faßte Lene bei den Händen. »Ich werde mit ihm nach Münster gehen.«
»Aber warum denn?«
»Das ist mir egal. Ich will nur für einige Tage der Willkür deiner Mutter entkommen. Sonst läßt sie mich noch schuften, bis ich tot umfalle.«
»Und ich bleibe allein zurück«, jammerte Lene.
»Es ist ja nicht für lange. Ich bin nur ein paar Tage fort.«
»Ich beneide dich.«
Anneke lächelte und schloß Lene in die Arme. Nun aber tauchte die Monsbacherin unter dem Türbalken auf und zog Lene von Anneke fort.
»Mach, daß du in die Küche
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