Die Falken Gottes
Gerüchte also. Es stimmt sogar, daß ich meinen Onkel vor einigen Jahren bei mehreren Gelegenheiten an den Königshof begleitet habe und dort auf Königin Christina traf. Wahrscheinlich fand sie sogar Gefallen an mir, aber Anneke … ist dir jemals ein Bildnis der Königin vor Augen gekommen?«
Anneke schüttelte den Kopf. Bevor der Mann in der Schenke die schwedische Königin erwähnt hatte, war ihr nicht einmal deren Name bekannt gewesen.
»Christina mag jung sein – sie ist tatsächlich nicht viel älter als du –, aber man kann sie nicht unbedingt als Schönheit bezeichnen«, meinte Ohlin. »Sie hat nur wenig Frauliches an sich, und wenn man sie nicht kennen würde, könnte man sie mit ihren groben Gesichtszügen auch für einen Mann halten. Es wird häufig gemunkelt, sie wäre eine Art Zwitterwesen. Wenn die Königin keine offiziellen Anlässe wahrnimmt, trägt sie sackartige Kleider und läßt die Haare ungepflegt vom Kopf fallen. Zudem reitet sie besser als die meisten Männer und flucht so derb, daß es manch einem die Schamesröte ins Gesicht treibt.«
Anneke sah ein, daß sie vielleicht etwas vorschnell über Ohlin geurteilt hatte, und bereute bereits ihre Worte. »Ihr habt also nicht mit ihr das Bett geteilt?«
»Das einzige, was ich mit ihr geteilt habe, sind meine Gedanken über das Leben und die Welt, denn die Königin ist ungewöhnlich klug und belesen. Schon als Kind beherrschte sie acht Sprachen, und sie umgibt sich an ihrem Hof mit zahlreichen Gelehrten aus ganz Europa. Sie hegt eine große Leidenschaft für alles Religiöse und ist doch eine Zweiflerin, |143| die viele Lehren der protestantischen wie auch der katholischen Seite in Frage stellt.« Ohlin schaute Anneke herausfordernd an. »Du siehst, ich bin nicht der Unmensch, für den du mich hältst.«
Anneke war nicht gewillt, so schnell kleinbeizugeben. »Ihr seid vielleicht kein Unmensch, aber Ihr giert jedem Weiberrock hinterher, und man sieht es Eurer Frau auf den ersten Blick an, wie unglücklich sie mit Euch ist.«
Seine Miene wurde ernster. »Deine spitze Zunge entgleitet dir wieder einmal.«
Anneke gab ein abfälliges Zischen von sich. »Ihr tretet die Gefühle Eures Eheweibes mit Füßen.«
»Eine Ehe wird nur selten aus Liebe geschlossen, auch wenn du dir vielleicht etwas anderes erträumst«, entgegnete Ohlin. »Ich empfinde Respekt für Svante. Sie zu heiraten war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.«
»Und gewiß betrug die Mitgift die passende Höhe.«
»Svantes Vater ist ein vermögender Freigraf, der seine Tochter einem Mann mit Einfluß zur Frau gegeben hat. Durch meinen Onkel konnte ich Kontakte zu den wichtigsten diplomatischen Kreisen und zum Hochadel bis hin zum Königshof knüpfen. Darum sind wir übereingekommen, daß eine Ehe zwischen Svante und mir eine durchaus passable Verbindung darstellt.«
»Ihr seid also nie in Eure Frau verliebt gewesen?«
Ohlin schüttelte den Kopf.
»Und aus diesem Grund glaubt Ihr, die Freiheit zu haben, es hinter dem Rücken Eurer Frau mit den Mägden und anderen Weibern treiben zu können.«
»Svante ist nicht dumm«, sagte er. »Sie weiß, daß ein Mann von Zeit zu Zeit seine Lust stillen muß, damit er nicht unleidlich wird, und darum akzeptiert sie diesen Umstand.«
Er spricht von seiner Frau wie von einer Bediensteten, überlegte Anneke. Gewiß gab es viele Männer wie Ohlin, |144| die es mit der ehelichen Treue nicht allzu genau nahmen, aber wenn er von diesen Dingen sprach, klang es so selbstverständlich, als rede er über die tägliche Rasur.
»Auf mich hat Eure Frau einen sehr unglücklichen Eindruck gemacht«, meinte Anneke. »Und zu allem Übel habt Ihr Euch nun auch noch davongestohlen und laßt Eure Frau in Sorge um Euch zurück.«
»Wäre es dir lieber gewesen, weiterhin den stinkenden Kuhmist zu schaufeln?«
»Ihr versucht abzulenken.« Anneke verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum habt Ihr kein Kind mit Eurer Frau?«
»Ein Kind?« stutzte Ohlin.
»Vorhin in der Schenke, als dieses Mädchen auf Eurem Schoß hockte, habt Ihr mich zum ersten Mal beeindruckt. Ihr mögt Kinder. Und Eurer Frau scheint es an einer Aufgabe zu fehlen. Habt Ihr nie daran gedacht, Kinder mit ihr zu zeugen?«
Ohlins Lippen wurden schmal. »Svante hat zwei Kinder zur Welt gebracht.«
Anneke schaute ihn nur fragend an.
»Sie sind tot«, sagte er leise. »Unsere Tochter Eida war erst ein Jahr alt, als sie an der Schwindsucht erkrankte. Sie starb einen Monat, bevor
Weitere Kostenlose Bücher