Die Falken Gottes
kommst!« rief die Wirtin. Sie schlug ihrer Tochter auf den Hinterkopf, stieß sie aus der Kammer und zog die Tür zu. Dann wandte sie sich zu Anneke um.
Einen Moment lang standen sie sich nur abschätzend gegenüber. Anneke wich den Augen, die sie aufgebracht anfunkelten, nicht aus, und sie war es auch, die als erste das Wort ergriff.
»Ihr habt zugestimmt, daß ich Herrn Ohlin begleite.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Als deine Dienstherrin obliegt es mir, mich um dein Wohl zu kümmern«, zischte die Monsbacherin. »Doch ich werde mich dem Wunsch dieses Herrn nicht entgegenstellen.«
Der Wirtin war deutlich anzumerken, wie sehr es ihr mißfiel, Anneke mehrere Tage in die Obhut dieses Fremden zu geben. Dennoch betete sie in ihrer Gier gewiß darum, Anneke möge lange fernbleiben, denn die Entlohnung, die sie |132| für jeden Tag ihrer Abwesenheit erhielt, war mehr als großzügig.
»Gut denn«, meinte Anneke und wollte sich entfernen, doch die Monsbacherin krallte die Finger in ihren Oberarm und hielt sie zurück.
»Weiß der Himmel, was ihr dort in Münster treibt«, sagte die Wirtin. »Aber laß dir eines gewiß sein: Schleppst du uns einen Bankert ins Haus, schicke ich dich zurück zu deiner Mutter.«
Sie glaubte also noch immer, daß Anneke mit Ohlin Unzucht treiben wollte. Nichts wäre Anneke leichter gefallen, als das Versprechen zu geben, die Finger von dem Schweden zu lassen. Trotzdem sagte sie kein Wort und verließ die Kammer.
Draußen vor der Schenke hatte Ohlin bereits die Kutschentür geöffnet und winkte Anneke in das Gefährt. Bevor sie einstieg, hielt sie kurz inne, schaute ihn an und fragte: »Dieser Mord im Wald und der Anschlag auf Euer Leben … Kann es für uns gefährlich werden in Münster?«
Er schürzte die Lippen. »Ja, vielleicht bringe ich uns in Gefahr.«
Sie zögerte nur kurz. »Es soll mir recht sein«, entgegnete sie und setzte sich in die Kutsche.
|133| Kapitel 14
Ein heftiges Rumpeln und Schütteln ließ Anneke aufschrecken. Sie schlug die Augen auf und blickte zu Magnus Ohlin, der ihr in der Kutsche gegenübersaß.
»Was war das?« fragte Anneke.
»Nur ein Stein oder ein Wegloch«, beruhigte er sie. »Es wundert mich, daß du überhaupt schlafen kannst, während dein Kopf ständig von der einen zur anderen Seite geworfen wird.«
Anneke hörte eine Peitsche knallen und vernahm die heisere Stimme des Kutschers, der die Pferde antrieb. Der Wagen schaukelte wie ein Kahn auf einem reißenden Flußstrom, und die Räder polterten so laut über die Straße, daß sie ihre eigenen Worte kaum verstehen konnte. Zumindest dämpften die mit weichem Leder überspannten Sitze die Erschütterung unter dem Hinterteil. Konnte man die kurvigen und unebenen Wege, die eigentlich nur aus zwei Radspuren bestanden, überhaupt als eine Straße bezeichnen? Anneke nahm an, daß sie sich glücklich schätzen konnten, daß es nicht regnete, denn sonst hätten sich diese grabenähnlichen Rinnen gewiß in kurzer Zeit in Schlamm verwandelt und ihr Vorankommen erschwert, wenn nicht sogar ganz verhindert.
Sie schaute aus dem Seitenfenster. Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel.
»Wie lange habe ich geschlafen?«
»Nur kurz. Wir haben noch keine halbe Meile zurückgelegt.«
Es ärgerte Anneke, daß die Müdigkeit sie übermannt |134| hatte, kaum daß sie aufgebrochen waren, denn sie gierte danach, jeden Moment dieser Reise in sich aufzunehmen. Nun streckte sie ihren Kopf aus dem Fenster und sog beherzt die frische Luft ein. Als sie wieder zurück auf ihren Sitz sank und mit einem wohligen Seufzer ausatmete, schaute Ohlin sie verwundert an und meinte: »Wenn man dich so sieht, könnte man fast glauben, die Luft hier wäre besser als in deinem Ort.«
Anneke lächelte. »Sie ist besser. Es ist die Luft einer Gegend, in der ich nie zuvor in meinem Leben gewesen bin. Je weiter wir uns von der Schenke entfernen, desto befreiter fühle ich mich.«
»Eine Freiheit, für die ich dich teuer bezahle«, brummte Ohlin, doch er wirkte nicht verstimmt, sondern eher amüsiert.
Bald darauf bat Anneke um eine kurze Rast, da ihre Blase zwickte. Die Kutsche hielt neben einem Waldstück, in das sich Anneke zurückzog, um sich ungestört zu erleichtern. Als sie wieder aufstand und Rock und Unterkleid zurechtzog, vernahm sie in der Nähe ein lautes Würgen und Husten. Sie bewegte sich vorsichtig auf die Geräusche zu und beobachtete aus sicherer Entfernung, wie Magnus Ohlin sich gebeugt an einem
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