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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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den seltsamen Vorgängen, die sie hier zusammengeführt hatten, auf den Grund zu gehen.
    Irgendwann fiel ihm auf, daß sie ihn regelrecht anstarrte, und er sagte: »Was geht dir durch den Kopf, wenn du mich so anschaust?«
    Sie zögerte kurz. »Ich muß daran denken, daß ich mit einem Mann nach Münster reise, von dem ich nichts weiß. Zumindest so gut wie nichts.«
    »Du bist neugierig?«
    »Darf ich Euch eine Frage stellen?«
    Ohlin vollführte eine einladende Handbewegung. »Nur zu.«
    »Ihr steht als Justizrat in den Diensten der schwedischen Kongreßgesandten, aber Ihr kommt mir nicht vor wie ein Mann, der sich mit Gesetzen und Verträgen beschäftigt.«
    |140| »Und wie komme ich dir vor?«
    »Ihr habt Euch vor mir wie ein Aufschneider aufgespielt, wie ein eitler Pfau, der jedem Weiberrock hinterherstellt.«
    »Das hast du gut beobachtet.«
    »Wer seid Ihr? Ein Mann des Adels, der das Geld seiner Familie verpraßt?«
    Ohlin grinste. »Diese Frage erinnert mich an ein französisches Sprichwort.
Le marchand acquiert, l’officier conserve, le noble dissipe

    »Und was soll das bedeuten?«
    »Der Kaufmann erwirbt, der Beamte bewahrt, der Adlige verschwendet.«
    Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, hob er schnell einen Finger und sagte: »Nein, ich entstamme keineswegs dem Adel, und ich bin auch gewiß nicht in der Lage, soviel Geld zu verprassen, wie du es dir vorstellen magst. Meine Eltern stammen aus der Bürgerschicht. Mein Glück war es allerdings, daß man mich in die Obhut meines Onkels gab, der sich aus ähnlich schlichten Verhältnissen zu einem angesehenen Diplomaten hochgearbeitet hatte. Er ermöglichte es mir, die Jurisprudenz an der Universität von Rostock zu studieren. Es stellte sich allerdings schnell heraus, daß ich mich mit seiner Disziplin und auch mit seinem politischen Geschick nicht messen konnte. Ich habe stets die angenehmeren Seiten des Lebens bevorzugt. Mir waren Wein, die Frauen und ein wenig Luxus wichtiger als Fleiß und Bildung.«
    Er hustete und konnte nur mit Mühe ein Würgen unterdrücken. Ohlin schloß kurz die Augen, dann schaute er Anneke an und sagte: »Nun möchte ich etwas mehr über dich erfahren.«
    Anneke runzelte die Stirn. »Über mich? Was sollte ich schon zu erzählen haben? Ich bin nur eine Dienstmagd, die von früh bis spät in der Schenke ihre Arbeit verrichtet.«
    »Eine Dienstmagd, die mich überredet hat, sie nach Osnabrück |141| zu schaffen, damit sie sich ein Buch kaufen kann. Das finde ich ungewöhnlich.«
    »Lesen bereitet mir Freude.«
    »Auch das ist ungewöhnlich«, meinte er.
    »Es ist …« Anneke stockte und wußte nicht recht, wie sie es ihm erklären sollte. »Ich fühle mich frei, wenn ich zwischen den Seiten blättere. Könnt Ihr nicht verstehen, daß jemand wie ich, deren ganzer Tag nur aus Arbeit besteht, davon träumt, etwas mehr von der Welt zu erfahren?«
    »Ich hätte eher angenommen, junge Mädchen wie du träumen von einem galanten Ehemann und einem eigenen Haushalt.«
    »Ein Haushalt, in dem ich bis an mein Lebensende schufte?« Anneke schnaufte unwirsch. »Meine Mutter wird es nicht leid, mir bei jedem Besuch neue Männer für eine mögliche Hochzeit vorzuschlagen, aber ich fürchte, an der Seite dieser rauhbeinigen Tölpel würde ich kaum ein besseres Los ziehen als unter der Fuchtel der Monsbach-Wirtin.«
    »Hast du denn schon einmal bei einem Mann gelegen?« fragte Ohlin unvermittelt und verzog dabei keine Miene. In diesem Moment fuhr die Kutsche durch ein tiefes Schlagloch, und sie wurden so sehr hin- und hergeschüttelt, daß Anneke hoffte, ihm würde verborgen bleiben, wie verlegen sie für einen kurzen Augenblick gewesen war.
    »Das geht Euch nichts an«, entgegnete sie kühl.
    »Also nicht.« Er lächelte. »Du bist fürwahr ein tugendhaftes Mädchen.«
    »Und daran werdet Ihr gewiß nichts ändern können.« Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Auch wenn Ihr wohl davon überzeugt seid, daß Euch keine Frau widerstehen kann, sei es nun eine Magd oder Eure Königin.«
    Nun zeigte er eine überraschte Miene. »Was sagst du da?«
    »Ist es nicht wahr, daß die schwedische Königin Euch in ihr Bett geholt hat?«
    |142| »Wie kommst du darauf?«
    »Bevor ich Euch in Osnabrück aufgesucht habe, sprach ich mit schwedischen Gästen in der Schenke über Euch. Einer der Männer vertraute mir an, daß es kein großes Geheimnis ist, daß Ihr bei der jungen Königin gelegen habt.«
    Ohlin schmunzelte. »Die üblichen

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