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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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schaute oder spazieren ging, erstreckte sich vor ihren Augen Wasser, gab je nach Gezeiten mehr oder weniger Fels und Sandstrand preis. Sie begriff, dass das Meer keine Erfindung aus den Ferienprospekten war. Und sie ahnte, dass es immer da sein würde, im besten Fall azurblau den Himmel spiegelnd und mit schäumenden Kronen dekoriert, abends als perfekte Kulisse für betörende Sonnenuntergänge. Allzu oft aber lag das Meer als graues, Gedanken erstickendes Leintuch da, von dem düster Nebel stieg. Im schlimmsten Fall, vom Sturm gepeitscht, verschlang es Küstenstraßen, Autos, Boote und den Strand. Nein, die Bewohner von Clare Island mochten das Meer nicht. Sie arbeiteten damit, sie lebten davon, aber die Angst, verschlungen zu werden, war immer da. Die meisten Insulaner konnten nicht schwimmen. Wer ins Wasser fiel, gehörte dem Meer. Wer versuchte, einen zu retten, der dem Meer gehörte, ertrank selber. Es gab keinen vernünftigen Grund, den Atlantik romantisch zu finden, nicht einmal dann, wenn die Sonne bronzen in den Wellen versank.
    Was stellst du immer diesem Turmfalken nach, sagte Daniel beim späten Frühstück, ich habe eine geschlagene Stunde lang auf dich gewartet!
    Dafür habe ich frische Brötchen gebracht.
    Ofenfrisch aufgebacken und sauteuer. Müssen wir dafür in den Dorfladen? Wir haben doch selber einen Tiefkühler, und einen Backofen haben wir auch.
    Ich habe sie von meinem Geld bezahlt, stellte Linda klar.
    Dein Geld, äffte er sie nach. Was heißt das schon, dein Geld. Es gibt nur unser Geld. Wenn es aufgebraucht ist, dann ist es aufgebraucht.
    Weg ist weg, Linda lachte. Streiten wir uns tatsächlich wegen vier Brötchen?
    Dieser Turmfalke wird sich auch langsam über dich aufregen, wenn du ihn ständig störst.
    Bist du etwa auch auf ihn eifersüchtig?
    Ich mache mir Sorgen.
    Er wird mir nichts tun, sagte Linda.
    Pass auf, wenn du in dem Turm herumkletterst. Die Treppen sind vermoost, die Leiter ist morsch. Dass du dir nicht das Genick brichst!
    Am Abend stand Linda in der Küche. Für das Essen war sie zuständig. Dankbar nahm sie die Aufgabe an, wenigstens etwas, das sie besser konnte als er. Daniel übernahm das Staubsaugen, er putzte und räumte auf. Gemeinsam kümmerten sie sich um Pharao. Sie lebten zu dritt. Als die Tage kälter wurden, lag der Hund zwischen ihnen im Bett. Sie trugen nun dicke Flanellpyjamas, schliefen unter schweren Decken. Träume bewegten ihre Nächte.
    Je dicker die Decken, desto bewegter die Träume, konstatierte Daniel. Linda musste ihm Recht geben.
    Am Morgen konnten sie sich an nichts erinnern außer an die bittere Kälte, die in die Räume kroch, sobald das Feuer verglomm. Salz beschlug die Fenster, Linda meinte, in dichten Nebel hinauszublicken. Die Stürme hielten oft tagelang an. Die Escaloniabüsche warfen ihre Äste gegen die Mauern, streuten Blätter über den Vorplatz. Stieß Linda die Haustüre auf, riss der Wind sie ihr aus der Hand. Vor der Schwelle bildete sich eine Wasserlache. Sie fraß sich in den Teppich, weichte den Holzboden auf. Es roch nach Moder. Daniel legte eine Decke vor den Eingang. Das Thermometer in der Küche zeigte zwölf Grad, die Quecksilberlinie blieb den ganzen Winter über dort stehen.
    Schien die Sonne, rannten sie an den Strand, um zu spazieren. Sie sammelten Seeigel, Muscheln und Krebspanzer. Daniel trug Bojen und zerrissene Fischernetze nach Hause und lagerte sie in seinem Schuppen ein. Die Fischer und Schafbauern quittierten ihre Aktivitäten mit Kopfschütteln: Müll schleppen sie heim, die Ausländer. Nach den Herbststürmen fand Daniel den Rückenwirbel eines Wals.
    Ein Hocker!, rief er. 200 Euro kriege ich bestimmt dafür. Wenn wir mit der Abtei fertig sind, eröffne ich meinen Laden.

Aus lauter Langeweile hatte sich Granuaile damals am Hafen herumgetrieben und sich mit den wenigen Fischern angefreundet, die in Bunowen noch arbeiteten. Seit die Stadtherren von Galway ihren Hafen für die keltischen Clans gesperrt hatten, waren die O’Flahertys, einstmals neben den O’Malleys der zweite große Seefahrer-Clan Irlands, kaum mehr zu Wasser tätig. Einige Male waren sie bis an die Zähne bewaffnet gegen die Stadtmauern von Galway angerannt. Danach hatten sie aufgegeben und ihre Curraghs und Galleys am Strand verrotten lassen.
    Die Männer staunten, wie fachmännisch Granuaile über Netze und Boote sprach, wurden hellhörig ob ihrer genauen Kenntnis der Fischgründe. Granuaile schlug ihnen vor, die Curraghs neu zu teeren

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