Die Falken und das Glück - Roman
wärmste Ecke, sagte er.
Er hatte ihr einen kleinen Arbeitstisch gezimmert, hatte Harassen aufeinander genagelt und ein Brett darüber gelegt, dessen Kanten er von Hand feilte, bis sie sich schön glatt anfühlten. Er hatte lange nach einem bequemen Stuhl gesucht und ihr schließlich seinen überlassen. Für ihn selber war ein alter Holzschemel gut genug. Er legte einen dicken Wollteppich unter den Stuhl.
Damit du mir nicht kalte Füße kriegst!
Außerdem hatte er ihr eine Lampe gebastelt aus einem alten Airbag. Er war stolz auf seine Erfindung.
Die kannst du auch auf den Tisch legen, erklärte er.
Er nahm sie vom Haken, zerknautschte den weißen Stoffsack, auf dessen Rand das BMW -Logo aufgedruckt war.
Du kannst sie sogar in eine Ecke werfen!
Der ist ausgelöst worden, stellte Linda fest.
Spielt doch keine Rolle, sagte er, ich habe ihn auf einem Schrottplatz gefunden.
Und wenn jemand gestorben ist bei dem Unfall?
Daniel zuckte die Schultern und ging zur Werkbank, auf der sich sein Büro befand. Stapel von Dokumenten, antiquarische Bücher und Plastikschachteln mit Dias türmten sich da. In der Ecke thronte ein uralter Computer mit staubigem Bildschirm. Sägemehl und Spinnweben verklebten die Tastatur, aber er funktionierte noch.
Der muss genügen für uns beide, sagte Daniel.
Sobald wir etwas verdienen, kaufe ich mir ein neues Notebook, hoffte Linda.
Nicht nötig! Du kannst deine Mails hier lesen, wenn ich sowieso eingeloggt bin.
Die Leitung war so schlecht, dass die Verbindung nur mühsam oder gar nicht zustande kam. Daniel kommunizierte meist per Telefon und per Post. Viel hatten sie in der ersten Zeit sowieso nicht mitzuteilen, zu sehr waren sie miteinander beschäftigt. Tagsüber arbeiteten sie in der Abtei. Abends saßen sie im Schuppen und katalogisierten die Ergebnisse des Tages, ordneten Bilder, Skizzen.
Sie arbeiteten Rücken an Rücken, zwischen ihnen Regale mit Fundstücken und ein ausgeschlachteter alter Traktor, den Daniel aufgebockt hatte. Linda mochte den Geruch nach Benzin und Motorenöl, nach Schuhwichse und Sägemehl und alten Polstern. Sie fühlte sich geborgen.
Im Schlafzimmer hatte Daniel einige Regale und die Hälfte der Kleiderbügel freigeräumt. Aber sein Schrank war viel zu klein für alles, was Linda mitgebracht hatte.
Wir misten gleich mal die Hälfte aus, schlug er vor, und bevor sie etwas dazu sagen konnte, hatte er eine Rolle mit schwarzen Abfallsäcken geholt.
Hier brauchst du keine Handtaschen, weg damit! Ich kenne in Galway einen guten Secondhand-Laden. Die Sommerröcke kannst du auch vergessen, so warm wird es hier nie.
Er wühlte sich durch ihre Kisten, zog ein zartes Seidenkleid heraus.
Das passt zu den Schuhen. Das kannst du im Schlafzimmer tragen. Und das hier sieht mit Nylonstrümpfen sicher auch gut aus.
Er strich die beiden Fundstücke glatt, legte sie aufs Bett. Dann wühlte er weiter, rief: Was willst du mit all diesen Anzügen und Kostümen? Arbeiten wir etwa auf einer Bank? Und der schicke Wintermantel geht sowieso kaputt im Regen.
Linda ließ ihn die Garderobe aussortieren. Sie konnte auch mit Jeans und Pullovern leben. Sie ging ins Wohnzimmer und begann, ihre Bücher in seine Regale zu stellen, wo alles alphabetisch geordnet war. Er protestierte sofort, sie dürfe nicht einfach irgendwelchen Mist zwischen seine Werke stellen, das sei eine Beleidigung für die anderen Autoren.
Du hast ja nur Bücher von Frauen!, stellte er fest.
Mit Erstaunen wühlte er durch ihre Bücherkisten. Unterhaltungsliteratur, feministische Schriften, Romane von Schweizer Autorinnen.
Der Feminismus ist gescheitert, hast du das nicht mitgekriegt? Daniel hielt ein zerfleddertes Taschenbuch von Alice Schwarzer in die Höhe.
Wozu brauchen wir den kleinen Unterschied? Und das hier, Theologie für Frauen? Mit solchem Quatsch beschäftigst du dich? Weg damit! Das hat hier keinen Platz.
Linda stapelte ihre Bücher wieder in die Kisten. Wenn sie ehrlich war, hatte sie selber seit Jahren nicht mehr darin gelesen. Daniel hatte Recht. Sie brauchte diese Bücher nicht mehr. Sie würde sich erst einmal durch seine Bibliothek lesen.
Bei ihrem nächsten Besuch in Westport stellten sie die Bücherkisten an einer vielbefahrenen Kreuzung auf den Gehsteig, mit einem Pappschild drauf: For free.
Daniel erzählte von einem Bekannten, der ein Antiquariat hatte, und betonte, solche Bücher ließen sich keinesfalls verkaufen. Sie würden ihn nachher besuchen gehen, es würde ihr alles klar
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