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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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beschloss Dubhdara nach der erfolgreichen ersten Reise, seine Tochter weiterhin auf dem Meer auszubilden.
    Er machte sie mit den Gezeiten und den Strömungen vertraut. Sie lernte die Zeichen des Windes und der Wolken lesen, die Sternbilder zu verstehen, die Navigationsgeräte zu bedienen und die Stärken und Grenzen der Schiffe richtig einzuschätzen.
    Stundenlang stand das Mädchen am Bug des Flaggschiffes und suchte den Horizont nach Beute ab.
    Die Meerdohlen kratzen unruhig in den Mauerritzen unter dem Dach. Auch sie spüren, dass das Wetter umschlagen wird.
    Sie leben seit jeher im Turm. Granuaile hat sie schon als Kind beobachtet, ihre Flugkünste bestaunt. Die schwarzen Vögel mit den roten Füßen und Schnäbeln können wie die Raben akrobatische Kunststücke fliegen. Sogar mit dem Bauch nach oben sind sie gelegentlich am Turm vorbeigesegelt, als wollten sie sie verhöhnen, sie, die nur übers Wasser fliegen kann.
    Der erste Überfall, an dem Granuaile beteiligt war, galt einem niederländischen Frachtschiff, das Teer geladen hatte. Sein Ruderkopf hing dann als Trophäe in Belclare über dem großen Kamin; Granuaile konnte ihn aus der Erinnerung zeichnen. Er stellte das Gesicht eines Matrosen dar, dessen schulterlanges Haar ebenso vergoldet war wie sein Schnurrbart. Seine Stirn war in Falten gelegt, als habe der Schnitzer das Ende des stattlichen Dreimasters vorausgeahnt. Kletterte man auf einen Stuhl und untersuchte den Ruderkopf von oben, sah man einen Hund, der zähnefletschend und mit blutunterlaufenen Augen auf dem Kopf des besorgten Matrosen saß.
    In schwachen Stunden fragte sich Granuaile, ob sie mit ihrer Karavelle die Welt umsegeln könnte. Hundert Jahre waren vergangen, seit Kolumbus bis nach Amerika gesegelt war. Die Mönche hatten ihr auch erzählt, dass der heilige Brendan aus Irland schon viel früher dort gewesen war.
    Flausen, dachte sie dann, sie musste sich um die Ernährung ihrer Männer kümmern.
    Die Engländer segelten in ferne Länder, die Holländer. Die Spanier und die Portugiesen auch. Sie hatten mächtige Königreiche im Rücken, grenzenlosen Reichtum.
    Warum sie nicht?
    Wie hätte sie einem einfältigen Krieger wie Donal den kühnen Plan einer Weltreise erklären sollen?
    Sie tröstete sich mit den Handelsschiffen, die an ihrer Küste vorbeizogen und die sie nur zu überfallen brauchte.
    Und verwarf ihr Fernweh als Kindertraum.
    An Bord der Schiffe ihres Vaters war Granuaile mit den gleichen Rechten behandelt worden wie die Krieger und Seemänner. Dubhdara zeigte ihr, wie man die Segel setzte, er brachte ihr bei, wie man die schlanken Galeeren kommandierte, die sich in den unruhigen Küstengewässern des Atlantiks hervorragend manövrieren ließen. An seiner Seite lernte sie die Buchten, versteckten Klippen und seichten Stellen kennen, jene tausend Hinterhalte, in denen die O’Malleys ihrer Beute auflauerten.
    Und sie lernte, mit Waffen umzugehen: Säbel, Streitaxt, Messer. Später mit der Pistole, einer primitiven Bordkanone.
    Im Winter saß sie tagelang hinter Büchern, gefördert von ihrem Vater, der ebenfalls lesen konnte. Und als er ihr sein eigenes Wissen vermittelt hatte, schickte er sie zu den Augustinermönchen ins Kloster von Murrisk, wo sie Sprachen lernte und ihre mündliche wie schriftliche Ausdrucksweise verfeinerte.
    Granuaile hört die Wellen an die Planken der Galeeren schlagen, hört, wie das Meer wieder und wieder gegen den glatten Kraweelrumpf der Karavelle anrollt.
    Musik in ihren Ohren!
    Der Regen peitscht ihr ins Gesicht, mischt sich mit der Gischt, sie hat den Geschmack von Brackwasser auf den Lippen.
    Fröstelnd geht sie im Turm auf und ab.
    Ihre Ehe war auf steinigen Grund gefallen.
    Donal lachte tatsächlich nie, die kargen Hänge von Bunowen blieben ihr über all die Jahre fremd.
    Die Spitze des Ben Lettery zeigte ihr wie ein strenger Finger, wo Gott hockte.
    Gegen Westen war das Land der O’Flahertys vom Hill of Doon abgeschirmt – den Granuaile gelegentlich auf Englisch, das Donal nicht verstand, Hill of Doom nannte, Hügel des Verderbens. Nur zu schade, dass niemand auf Bunowen ihren traurigen Witz verstand.

Herrje, rief Daniel, als er den vollgepackten Lieferwagen sah. Wie soll das alles hier Platz haben?!
    Linda war für zehn Tage in die Schweiz gereist, um das Nötigste zusammenzupacken, Arbeit und Wohnung zu kündigen und sich abzumelden. Daniel hatte derweil die hintere Wand im Schuppen freigeräumt, die ans Haus grenzte.
    Das ist die

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