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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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Wolken und die Füße immer einige Zentimeter über dem Boden, so hat Vater dich beschrieben, sagte Sidonie.
    Immer, wenn es schneit, denke ich an ihn. Wie er damals den Engel machte. Du warst noch nicht mal im Kindergarten. Ich muss drei Jahre alt gewesen sein. Aber ich sehe ihn vor mir, wie er die Arme bewegte, als fliege er im Schnee.
    Ja, ich erinnere mich auch, sagte Linda. Vielleicht habe ich meine Flügel von ihm geerbt.
    Er hat uns oft angeschrien, sagte Sidonie.
    Wie Daniel. Wegen Vater glaubte ich, ich könne umgehen mit Daniels Wutanfällen.
    Schweigend gingen die beiden mit dem Kinderwagen durch den Schnee, ganz für sich, die anderen Passanten ferne Gestalten im Gestöber. Ein weißer Schleier verzauberte das Münster, unter den Laubengängen wurde es still. Linda ging mit offenen Armen und offenem Herzen. Sie hüpfte und sprang im Kreis herum. Sidonie ließ sich anstecken von ihrer guten Laune. Sie teilten den Übermut des späten Schnees. Der Kinderwagen mit der schlafenden Sarah glitt wie von selbst über die dünne weiße Decke auf den Gehsteigen. Linda setzte nun langsam einen Tritt vor den nächsten, bewusst und forschend, als lerne sie von neuem zu gehen.
    Und dann streifte Linda ihren Ehering vom Finger. Ihre Hände waren vor Kälte schlank, und der Ring löste sich wie von allein. Dieser breite Vogelring, der sie als Besitz ihres Mannes zeichnete, das Datum ihres Fanges eingraviert, er fiel geräuschlos und verschwand. Das kleine Loch, das er hinterließ, wurde sofort zugeschneit. Lindas Ringfinger war dünn und bleich, sie machte die Faust, um ihn zu schützen, dann steckte sie beide Hände in die Taschen ihres Parkas. Sie fühlte ihr Handy vibrieren.
    Ich kann nicht mehr, sagte Linda.
    Gib mir das Telefon, verlangte Sidonie, hob ab und hängte auf, ohne ein Wort zu sagen. Und dann schaltete sie das Telefon aus und warf es in den Fluss.
    Wir kaufen dir morgen ein neues mit einer Schweizer Nummer.
    Jeden Morgen stand Linda auf und ging die Aare entlang. Sie sog die frische Gletscherluft ein, die aus dem Fluss stieg. Sie kochte Tee, klappte ihr Notebook auf und versuchte, an ihrem Text über Granuaile weiterzuarbeiten, wollte den Schluss neu schreiben. Aber sie brachte es nicht übers Herz, Grace O’Malley stürzen zu lassen. Linda wollte dort aufhören, wo die Piratin aufbrach, die Welt zu erobern.
    Sonnenstrahlen sanken als breite, weiße Balken ins Meer. Die Wolken malten Muster in den Himmel, Gesichter, einen Baum. Wie Filmbilder zogen sie an der Fähre vorbei.
    Linda dachte an die Osterlämmer, die nun als Halbwüchsige über die Wiesen tollten und deren Geburt sie ebenso verpasst hatte wie das Aufblühen der großen, gelben Narzissen auf den Gräbern. Sie redete sich ein, vor Daniel keine Angst zu haben. Nein, sie hatte keine Angst vor der Begegnung. Aber sie hoffte, es würde regnen, wenn sie ihren alten Garten betrat. Sie hoffte auf Mücken, auf nebelgraue Tage, einen Hagelsturm. Alle Übel waren ihr recht, um den bevorstehenden Abschied von ihrem Garten zu mildern. Sie hoffte, die Wolken würden tief genug hängen, damit Daniel ihre Tränen nicht sähe.
    Die Manuskripte hatte Linda bei Sidonie zurückgelassen. Halb im Scherz hatte sie ihr gesagt, falls ihr etwas zustoße, solle ihre Asche auf Clare Island ins Meer gestreut werden. Sidonie war alarmiert gewesen. Sie hatte versucht, Linda am Aufbrechen zu hindern. Sie hatte ihr ins Gewissen geredet, sie hatte an ihre Vernunft appelliert. Aber Linda hatte darauf bestanden, die Reise anzutreten. Sie wollte noch einmal nach Clare Island zurückgehen und ihre Sachen holen.
    Er hatte sich die Haare kurz geschnitten. Und er trug neue Jeans. Sie erkannte ihn von weitem. Eine frische Narbe leuchtete an seinem Arm. Pharao musste wieder zugebissen haben. Er war nicht mitgekommen an den Flughafen. Linda ging auf Daniel zu und küsste ihn auf die Wangen, küsste ihn dreimal flüchtig. Sie kannte ihn kaum. Er roch nach Knoblauch und Alkohol vom Vorabend. Kein Parfüm. Er hatte sich nicht rasiert. Sie sollte auf keinen Fall glauben, dass er sich Mühe gab für sie.
    Schweigend gingen sie zum Förderband, starrten auf die vorbeiziehenden Gepäckstücke. Linda hatte eine riesige Sporttasche mitgebracht, halb leer, sowie einen alten Koffer, den sie auf dem Dachboden gefunden hatte, der war ganz und gar leer. Sie trugen die Gepäckstücke zu seinem Wagen. Linda stieg ein. Daniel gab sich Mühe, vernünftig zu fahren. Als ein Traktor vor ihnen auftauchte,

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