Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Stallburschen warfen Heu vom Dachboden, andere stachen es mit dreizackigen Gabeln in die Raufen. Barfüßige Jungen fegten den Stall, und Knappen bürsteten die Rösser ihrer Ritter. Über allen wachte ein bärbeißiger Stallmeister mit rabenschwarzem Bart. Joseph ging zu ihm hinüber und trug den Wunsch seines Herrn vor. Der Stallmeister nickte nur, und gemeinsam gingen sie zum anderen Ende des Stalles.
Joseph fielen ein paar besonders edle Pferde auf, und erstaunt blieb er vor ihnen stehen. »Die würden meinem Herren gewiss gefallen«, sagte er.
Doch der Stallmeister schüttelte den Kopf und lachte rau. »Das sind nicht unsere, und – bei allem Respekt – Ihr könntet sie auch nicht bekommen. Das sind Marbacher. Solche Tiere stehen nur denen da oben zu.« Er deutete mit dem Zeigefinger zur Decke.
Joseph brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass er die hohen Herrschaften meinte. Er nickte. »Sind denn solche gerade zu Gast bei Eurem Herrn?«, wunderte er sich. Normalerweise blieben diese lieber unter sich und schliefen nicht unter dem Dach eines Patriziers, und war er noch so reich.
Der Stallmeister machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Er hat sich zwar verkleidet, aber ich kenne den Herrn Albrecht von Wittelsbach«, flüsterte er.
Joseph nickte diskret. »Der Sohn des Herzogs, das ist in der Tat eine außerordentlich große Ehre für den Herrn Walser.«
Der Stallmeister nickte. »Liegt eigentlich schon Schnee in den Schwarzen Bergen? Ich hab nämlich reden hören, dass Euer Liebden nach Heidelberg unterwegs ist, und wenn ich ihm da Auskunft geben kann, macht es bestimmt einen guten Eindruck.«
Joseph nickte ebenfalls. Nach Heidelberg also, das war interessant. Ob sein Herr davon wusste? »Nun, er wird sich beeilen müssen, denn die Bergkämme sind schon weiß. Ob es allerdings so anhält, weiß man nicht. Es ist ja erst Spätherbst.«
»Da bleibt der Schnee noch nicht liegen«, bestätigte der Stallmeister. Dann zeigte er Joseph Pferde, die für das Gespann geeignet waren. »Das wird der Margarethe von Waldeck gar nicht gefallen«, kam der Stallmeister auf Albrecht und Elisabeth zurück. »Ich schätze, sie träumt schon davon, Herzogin zu werden. Aber das wäre doch nichts, schließlich ist sie nur die Tochter eines Landgrafen.«
Nun war es an Joseph, ein wichtiges Gesicht zu machen. »Die Frau Margarethe war eine Zeit lang bei uns zu Gast. Ich kenne sie persönlich. Sie ist eine vornehme Dame und würde bestimmt eine vorzügliche Herzogin abgeben.«
»Mein Ihr wirklich? Nun, die Gräfin Elisabeth ist aber eine Wittelsbacherin. Zudem soll sie sehr schön sein.«
»Frau Margarethe ist bestimmt nicht weniger ansehnlich, und man sollte nicht vergessen, dass sie am böhmischen Königshof aufwuchs.«
»Trotzdem, eine Wittelsbacherin ist sie nicht, und ich glaub auch nicht, dass sie eine wird. Es wird so kommen, wie ich es sage. Unser Herr Albrecht und die Gräfin Elisabeth werden ein Paar, und dann gibt es eine prächtige Hochzeit, und das ganze Land darf mitfeiern.«
Von diesem Gespräch berichtete Joseph seinem Herrn, während er ihm mit einem Löffel Baldriantee mit Honig einflößte, der ihm ein wenig Linderung verschaffen sollte. Bischishausen nahm es kommentarlos zur Kenntnis, doch Joseph wusste, dass er es nicht dabei belassen würde. Es ging ihm nicht gut, sodass er auf jeden Fall noch für eine Nacht Herrn Walsers Gastfreundschaft in Anspruch nehmen müsste. Morgen würde man weiterreisen. So hatte es der Truchsess beschlossen.
Es war bereits die dritte Nacht, die Jan im Freien verbracht hatte, ohne auch nur ein Haar von Margarethe zu sehen zu bekommen. Am nächsten Morgen würde er aufgeben müssen. Zwar hatte es aufgehört, zu regnen, aber das nutzte ihm nicht viel. Seine Sachen und auch die Vorräte waren aufgeweicht und würden bei diesen Temperaturen auch nicht von selbst trocken. Um sich ein wenig aufzuwärmen, beschloss der Ritter, einen längeren Streifzug in die Umgebung zu machen. Nachdenklich überprüfte er, ob die Pferde auch wirklich fest angebunden waren, nahm sich das letzte Stückchen von dem kalten Braten mit, den Trine ihm als Proviant eingepackt hatte, und marschierte los.
Die grauen Wolken rückten ein wenig auseinander, sodass einige wärmende Sonnenstrahlen den Himmel in ein streifiges Licht tauchten. Das brachte Jan auf die Idee, jenen Hügel zu erklimmen, den er weiter östlich ausgespäht hatte. So weit war er noch nie vorgedrungen, aus Angst, der Aufbruch der
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