Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
ich, dass du die Meine werden musst.«
Margots Kehle war wie zugeschnürt. So viele Erinnerungen flackerten vor ihrem inneren Auge auf. Sachsenheim, wie er mit ihr getanzt hatte, die Stunden im Garten und jenes letzte Mal, als sie vor Schreck wie erstarrt war, und dann das Kind, als es ihren Körper verlassen hatte. Plötzlich wurde ihr schwindelig.
Er fing sie auf und breitete dann seinen Mantel auf dem Boden aus. »Verzeih mir, ich bin ein Narr. Dich so zu erschrecken in deinem Zustand.«
Er wusste es also nicht. Niemand hatte ihm gesagt, dass dieses Kind, sein Kind, nicht mehr lebte. Unvermittelt kamen ihr die Tränen.
»Ich bin gekommen, dich zu holen. Meine Männer warten dort drüben im Wald. Wir haben ein paar unauffällige Kleidungsstücke mitgebracht, die dir passen werden. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, als Junge verkleidet zu reisen. Es wäre sicherer.«
Margot schluckte die Tränen hinunter und schüttelte den Kopf. »Ich bedauere es sehr, Herr Sachsenheim, aber ich kann nicht mit Euch kommen.«
Erstaunt sah er sie an. »Sorgst du dich wegen deines Vaters? Das ehrt dich, aber ich frage dich: Kümmert ihn dein Wohl in derselben Weise? Er weiß, dass wir uns lieben, und doch gönnt er uns unser Glück nicht. Er tut, als wäre ich ein Gemeiner, dabei bin ich ihm vom Stand her ebenbürtig. Glaub mir, auch mir wäre es lieber, er würde uns seinen Segen geben, aber wenn er ihn verweigert, werden wir eben ohne ihn die Ehe eingehen.«
»Ihr versteht mich nicht. Ich will Euch nicht mehr heiraten.« Margot schluckte schwer. »Ich, ich kann nicht.«
»So liebst du einen anderen?«, fragte er.
»Nein, aber …« Erneut flossen Tränen über ihre Wangen. Sachsenheim legte seinen Arm um sie, und es schien beinahe wie früher. Für einen kurzen Moment war sie versucht, sich an ihn zu schmiegen und zu sagen, dass sie für immer bei ihm bleiben würde. Doch dann verschwand dieser Augenblick der Schwäche ebenso schnell, wie er gekommen war. Sie wollte aufspringen und zurück zur Burg laufen, spürte aber im selben Augenblick einen heftigen Schlag gegen die Schläfe. Die Knie sackten ihr weg, und vor ihren Augen tanzten grelle Blitze. Sie stöhnte auf, als Sachsenheim sie auf den Bauch drehte.
»Kneifen gilt nicht, meine Teure«, hörte sie ihn wie aus weiter Ferne sagen. Er band ihr die Hände mit einem Lederriemen auf dem Rücken zusammen und steckte ihr einen Knebel in den Mund. Dann nahm er sie auf seine Arme.
Margot strampelte schwach, war aber viel zu benommen, um sich ernsthaft wehren zu können.
Galoppierende Pferdehufe ließen den Boden erbeben. »Wollte sie nicht?«, fragte dann eine kratzige Stimme.
»Manche Frauen muss man eben zu ihrem Glück zwingen«, antwortete Sachsenheim.
Margot würgte, als man sie quer über ein Maultier legte, doch in ihrem Mund steckte der Knebel. Verzweifelt atmete sie durch die Nase, was ihr nicht leichtfiel. Sachsenheim beachtete es gar nicht, sondern stieg auf sein Pferd, nahm das Maultier am Zügel und jagte davon.
K APITEL 8
Albrecht verfluchte den frühen Winter und all die Mühsal, die er mit sich brachte. Kurz nach der Abreise aus München hatte es angefangen, heftig zu schneien. Jetzt regnete es. Wie sich das Wetter weiter entwickeln würde, war ungewiss. Zu dieser Jahreszeit war alles möglich. Die Straßen waren selbst für Reiter schwer passierbar geworden, streckenweise ließ sich ihr Verlauf kaum mehr als erraten. Albrecht hatte sich weisungsgemäß verkleidet und ritt mit nur wenigen Vertrauten.
Als sie sich endlich bis nach Augsburg durchgekämpft hatten, mussten die Männer überlegen, wo sie Quartier nehmen sollten. Natürlich hätten sie zum Schloss reiten können, doch mit der Vertraulichkeit ihres Vorhabens wäre es dann vorbei gewesen. So beschloss Albrecht, bei den Welsers an die Tür zu klopfen. Sie waren eine aufstrebende Patrizierfamilie, die der kleinen Reisegruppe gewiss Herberge geben würde.
Martin Welser, ein behäbiger Mann mit flinken Augen, der kaum noch Haare auf dem Kopf hatte, aber dafür einen gewaltigen Bauchumfang, zeigte sich überaus geehrt, katzbuckelte und wies den Männern ohne weitere Fragen die prächtigsten Räume in seinem Palais an. Welser verdiente sein Geld im Gegensatz zu den meisten anderen Augsburger Handelsherren nicht mit dem Vertrieb von Stoffen, die in der Gegend von Weberfamilien hergestellt wurden, sondern spekulierte mit Edelmetallen, vor allem mit Silber und Kupfer. Er war Albrecht von Wittelsbach
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