Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Zügel. Das Pferd blähte die Nüstern Richtung Straße und wieherte einmal laut. Erschrocken hielt ihm Jan das Maul zu. Das Rufen des Tieres verriet seinen Standort. Wer weiß, ob nicht Männer aus der Klause in der Nähe waren. Jan musste augenblicklich von hier fort. Energisch zerrte er an den Zügeln, während eine Antwort durch den Wald schallte. Jan blieb stehen. Reiter.
Vielleicht die ersehnte Hilfe aus Passau? Nein, die konnten noch nicht hier sein. Eine Reisegesellschaft hier, weitab der Hauptverkehrswege und dann um diese Jahreszeit? Das war unwahrscheinlich. Jan zuckte zusammen. Die Reiter mussten aus der Klause sein. Am Ende brachte man Margarethe gerade in diesem Augenblick fort und er war unterwegs in die andere Richtung. Ohne weiter nachzudenken, rannte Jan Richtung Straße.
Margarethe hatte so sehr gehofft, entkommen zu können. Doch bislang war sie stets an der Wachsamkeit ihrer Entführer gescheitert. Der Vogt suchte sie täglich auf. Jedes Mal brachte er Essen und Wein mit, plauderte ein wenig mit ihr und bestand dann auf seinem Recht als Ehemann. Erstaunlicherweise blieb der alte Ritter immer ruhig und freundlich, egal ob sie ihn anbettelte, anschrie oder gar wüst beschimpfte. Ein einziges Mal hatte sie versucht, sich ernsthaft gegen ihn zu wehren, und es bitter bereut. Seither erduldete sie ihn reglos. Er behandelte sie mit ritterlicher Höflichkeit, bedankte sich jedes Mal für ihre Gunst und kam auch auf die Perlen nicht mehr zu sprechen. Doch Margarethes Angst, empfangen zu haben, wuchs von Tag zu Tag. Sie wollte kein Kind und betete zu Gott, dass dieser den Weida mit Unfruchtbarkeit strafte!
Die Tage verstrichen, aber Margarethe gab nicht auf. Dann war es endlich so weit. Wie an jedem Abend steckte der Vogt die Fackel in die Halterung an der Wand und stellte ein Tablett mit Essen auf dem einfachen Holztisch ab. Margarethe schnupperte. Es schien Steckrübenauflauf zu geben, und das Brot duftete, als ob es frisch gebacken wäre. Es war schon merkwürdig. Soweit sie es beurteilen konnte, machte die ganze Burg einen heruntergekommenen Eindruck, doch die Küche war ausgezeichnet.
»Guten Abend, meine Liebe«, begrüßte sie Weida. »Essenszeit. Setz dich schon mal hin. Ich habe noch eine Überraschung für dich.« Er ging noch einmal hinaus, während Margarethe auf dem einfachen Holzhocker Platz nahm. »Mach die Augen zu und nicht blinzeln!«, rief er von draußen.
Missmutig tat sie wie geheißen. Sie hörte und roch, wie er näher kam, bis er direkt vor ihr stand.
»Jetzt schau!«
Zu ihrer Überraschung hielt er ein neues Kleid in den Händen, einfach geschnitten zwar und aus Leinen, aber besser als das, was der Plackerer ruiniert hatte. Ihre Augen leuchtete.
Weida sah es und freute sich wie ein kleines Kind. »Probier es doch gleich mal an. Ich möchte dich darin sehen.«
Nur zu gern kam sie der Aufforderung nach. Wieder ein richtiges Kleid zu tragen war eine große Erleichterung. Margarethe zog sich in eine dunkle Ecke zurück, streifte die Reste ihres Überkleides ab und zog das neue aus grünem Leinen an. Es war zwar ein wenig weit, aber die Länge passte. »Das ist sehr nett von Euch, Herr Weida«, bedankte sich Margarethe artig.
Er grinste über das ganze Gesicht. »Das Strahlen deiner Augen war jede Mühe wert. Und ich habe noch etwas für dich, doch dazu musst du noch einmal Platz nehmen.«
Misstrauisch kam sie wieder näher.
»Setz dich nur«, forderte er sie auf, wobei er in seine Tasche griff. »Du kannst dabei deine Mahlzeit einnehmen.«
Unsicher setzte sie sich an den Tisch.
Er trat hinter sie und strich ihr behutsam durchs Haar. »Es ist ganz verfilzt«, stellte er fest. »Wie schade um diese wundervollen Locken.«
Es raschelte kurz, dann spürte Margarethe den Strich einer Bürste. Sie duftete nach Rosenöl, ganz so, als wären die Borsten damit versetzt worden. Mit ungeschickten Bewegungen, aber durchaus vorsichtig begann Weida, ihr Haar zu entwirren, Strähne für Strähne und Bürstenstrich für Bürstenstrich, und der Blütenduft durchdrang ihre Lockenpracht.
»Ich hab ihn stets so an dir gemocht, diesen Rosenduft, den ich noch aus Prag kenne«, flüsterte er.
Margarethes Herz pochte wild. Wäre es nicht der Vogt gewesen, der ihr Haar kämmte, hätte sie die Bürstenstriche vielleicht sogar genießen können.
Nun fuhren Weidas Hände durch ihre Locken. Seine knotigen Finger umspielten einzelne Strähnen. Er roch an ihnen, führte sie an seine Lippen und
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