Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
gehst gleich zu ihr.« Dann fiel ihr Blick auf Margarethes zerzauste Frisur und das beschmutzte Gesicht. Margot schlug die Hände vor den Mund und sah sie entgeistert an.
»Ich bin hingefallen«, erklärte Margarethe, und das war ja nicht einmal gelogen. »Und etwas unglücklich gelandet.«
»Das kann man sehen. So kannst du auf keinen Fall gehen. Da drüben steht die Waschschüssel. Aber deine Haare! Herr im Himmel, da brauchst du aber ganz schnell eine Zofe.«
Margarethe lächelte schief und nagte an ihrer Unterlippe. Wenigstens hatte ihr Gesicht keine Schramme abbekommen. So offensichtliche Blessuren waren nur schwer zu erklären. Sorgfältig spritzte sie sich Seifenwasser ins Gesicht. Es war eiskalt und brannte in den Augen. Mit geübten Händen machte sich die kleine Margot derweil selbst an ihrem Haar zu schaffen.
»Bis wir jetzt eine Zofe haben …« Margot seufzte wichtigtuerisch. Dann kam sie ganz nah und flüsterte Margarethe ins Ohr: »Du bist doch nicht etwa da gewesen?«
Die junge Hofdame antwortete nicht, was Margot als Zustimmung deutete.
»Himmel, war das wagemutig. Niemals würde ich mich so etwas trauen.« Die Kleine schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Stimme erwachsen klingen zu lassen. »Das hätte übel ausgehen können.« Dann aber schob sie ihre Lippen noch einmal ganz dicht an Margarethes Ohr: »Und Albrecht, war er dabei?«
Margarethes Kinn neigte sich ein wenig.
»Du liebe Güte!«, entfuhr es dem Mädchen. »Und Zelivsky? Sind seine Reden so ketzerisch, wie man sagt?«
»Aufrührerisch sind sie, glaube mir, und das Volk hängt an seinen Lippen«, flüsterte Margarethe und fügte fast unhörbar hinzu: »Ich fürchte, unser König hat heute einen Riesenfehler begangen.«
Königin Sophie musterte Margarethe ungehalten, als diese endlich vor ihr erschien – in einer Aufmachung, die gerade noch akzeptabel war. Die Herrscherin legte das Dokument, in dem sie soeben gelesen hatte, in die Schublade ihres Schreibtisches und schloss diese. Es handelte sich um eines der wenigen erhaltenen Manuskripte des Jan Hus. Die meisten, so hieß es, seien mit ihm verbrannt worden. Schon mehrmals hatte die Königin die Schrift studiert, und noch immer war sie hin- und hergerissen. Es bestand kein Zweifel daran, dass der Hus ein tiefgläubiger Mensch gewesen war, doch wie er die Bibel deutete, das war mehr als kühn … Sie seufzte und wendete sich ihrer jungen Hofdame zu.
»Ich ließ schon vor einer Stunde nach dir schicken, Margarethe«, begann sie nicht ohne Vorwurf.
»Ich bitte um Verzeihung, hohe Dame«, entschuldigte sich die Rothaarige. »Euer Ruf ereilte mich gerade eben erst, und ohne zu zögern folgte ich ihm.«
Die Königin starrte das Mädchen an und meinte dann ungnädig: »Das sieht man.«
Sie winkte unmerklich, damit Margarethe näher treten sollte, und setzte sich in ihren bequemen Lehnsessel. »Nun denn, weshalb ich dich rufen ließ, mein Kind: Der König und ich haben beschlossen, dass es an der Zeit ist, für deine Zukunft zu sorgen und eine passende Ehe für dich zu arrangieren.«
Margarethe öffnete den Mund: »Aber mein Vater …«
»… wird sich unserem Willen beugen.« Die Königin winkte ab.
Margarethe senkte den Blick. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. Sie war doch noch viel zu jung zum Heiraten. Erst in diesem Winter war sie zur Frau gereift. Und überhaupt: Eine Zukunft, die nicht mit Albrecht zu tun hatte, kam für sie nicht in Betracht. Andererseits konnte sie den Plänen der Königin schwerlich offen widersprechen.
»Ich fühle mich noch nicht reif genug, die Verantwortung einer Ehe zu tragen«, war das Einzige, was Margarethe einfiel.
Die Königin lächelte verständnisvoll und spann ihre Gedanken weiter, als hätte sie Margarethes Einwand gar nicht gehört. »Du strebst gewiss nach einer eigenen Burg. Wer könnte dir das verdenken? Leider muss ich dir sagen, dass dein Vater nicht bereit ist, dir eine ordentliche Mitgift zu geben, die solche Pläne rechtfertigen könnte.«
Das Blut stieg der jungen Hofdame in den Kopf. Wie peinlich das war! Wie unglaublich demütigend! Es war schon furchtbar genug, im Alltag bei Hofe zu sehen, wie sich all die anderen Mädchen herausputzten und im Glanz ihrer Familien sonnten, selbst jedoch wegen der spärlichen Zuwendungen des Herrn von Waldeck auf die Freundlichkeit anderer angewiesen zu sein. Und jetzt das! Margarethe wünschte sich, der Boden würde sich auftun und sie verschlingen.
Königin Sophie
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