Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Anblick. Natürlich konnten sie die beiden nicht mitnehmen, aber etwas konnte sie dennoch tun. Sie griff in die Tasche ihres Rocks und fischte einen halben Prager Pfennig heraus.
»Nimm das, und kauf dir und dem Kind etwas zu essen, und vielleicht reicht es auch für einen warmen Ort zum Schlafen.«
Die Augen der Magd leuchteten auf. Rasch schlossen sich die Finger um das Geldstück. »Vergelts Gott«, hauchte sie.
»Aber jetzt pack dich«, knurrte Jan. Misstrauisch blickte er Mutter und Tochter nach, bis sie um die Häuserecke verschwunden waren. »Hoffentlich spioniert sie uns nicht weiter nach«, meinte er brummig. »Das könnte uns in Schwierigkeiten bringen.«
Albrecht klopfte seinen Freunden auf die Schulter. »Gut gemacht. Jetzt aber schnell hinein, bevor man uns entdeckt. Was ist, Margarethe? Du wirkst so blass. Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Danke, es geht schon wieder. Aber vorhin, als die Berittenen mit schwingenden Streitäxten auf uns zukamen, da ist mir der Schreck ganz schön in die Glieder gefahren.«
»Das glaub ich dir gern. In der Schlacht kann’s kaum anders sein.«
Margarethe nagte an ihrer Unterlippe. »Ob’s wirklich Wenzel war, der die Schläger schickte?«
»Gedroht hat er damit«, gab Albrecht zu bedenken. »Aber es gibt natürlich auch andere, die um jeden Preis verhindern wollen, dass es einen neuen Hus gibt.«
»Die Menschen einfach in die Enge zu treiben und niederzumetzeln, das ist nicht richtig!«
»Königliche waren’s«, meinte Jan bestimmt und mit kaum verhohlenem Zorn.
Albrecht schüttelte den Kopf. »Das lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Männer trugen kein Wappen. Es kann jeder gewesen sein.«
»Es liegt doch auf der Hand«, widersprach sein Freund. »Niemals könnte so eine Hatz ohne Wenzels Billigung stattfinden. Er ist schuldig. So oder so.«
»Dann«, mischte sich Margarethe ein, »hat er sich einen schlechten Dienst erwiesen. Zorn und Rachsucht werden die Prager nun ganz gewiss in die Gefolgschaft des Zelivsky treiben.«
»Gefährliche Zeiten«, stellte Jan fest. Dann musterte er sie kurz und sagte: »Besser du gehst jetzt hinein, und pass auf, dass dir niemand über den Weg läuft. Dieser Riss in deinem Kleid sieht so aus, als hätten wir mit dir noch ganz andere Dinge angestellt, als einer Predigt gelauscht.«
Im ersten Moment wollte Margarethe ihm eine Ohrfeige geben, damit er sein lockeres Mundwerk im Zaum hielt. Dann blickte sie jedoch an sich herunter und wurde puterrot. Tatsächlich war der Rock tief eingerissen und ließ weit mehr von ihren Beinen aufblitzen, als es schicklich war. Hastig zog sie die zerrissenen Stoffbahnen übereinander, als nun auch Albrechts Blick an ihr herunterglitt. Rasch wandte er seine Augen ab und murmelte: »Jan hat recht. Schnell zurück zu unseren Sachen.«
Das Mädchen nickte, huschte durch die Pforte und verschwand in dem kleinen Geräteschuppen.
»Vermutlich wollte der König ein Exempel statuieren«, hörte sie Albrecht von draußen raunen.
»Ein Exempel statuieren!«, echote Jan aufgebracht. »Wenn du mich fragst, hat man hier wehrlose Menschen abgeschlachtet, bloß weil sie jemandem zuhörten, der mutig genug ist, die Wahrheit laut auszusprechen.«
»Und die wäre?«
»Die Pfaffen hocken auf ihren Pfründen, während die gewöhnlichen Leute verhungern. So was ist noch nie gut gegangen. Schon bei den alten Römern hieß es panem et circenses , Brot und Spiele – damit hält man ein Volk bei Laune. Hungrig und verängstigt lässt es sich nicht regieren.«
Albrecht winkte ab. »Zelivsky setzt dem ungebildeten Pöbel Flausen in den Kopf. Dem Kerl muss man den Mund verbieten, und zwar möglichst schnell.«
Während die Freunde stritten, schlüpfte Margarethe aus ihrer Dienstbotentracht. Sie wünschte sich nur, dass die beiden etwas leiser debattierten. Sie hatten diesen unangenehmen Nachmittag Gott sei Dank ohne größere Blessuren überstanden und sollten besser aufpassen, dass niemand davon erfuhr. Wenn doch, drohte ihnen mit Sicherheit Ärger. Hastig zupfte sich Margarethe ihr einfaches Leinenkleid zurecht und öffnete die Tür.
»Lasst uns ein andermal weiterreden«, meinte sie beschwichtigend. »Jetzt, da Jan den Schlüssel hat, können wir uns wieder öfter treffen. Am Sonntag nach der Messe vielleicht?«
Die beiden jungen Männer sahen sich an und antworteten fast wie aus einem Mund. »Sonntags ist es schlecht, da gehen wir immer …«
»Da haben wir zu tun!«, unterbrach sich Jan eilig.
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