Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
überging Margarethes Verlegenheit. Sie erhob sich und wanderte hoch aufgerichtet um ihre Hofdame herum, wobei sie diese genauestens in Augenschein nahm. Zuletzt berührte sie das Mädchen an der Kinnspitze, sodass es gezwungen war, zu seiner Königin aufzusehen. Eindringlich musterte die Herrscherin ihre Hofdame, während sie weitersprach: »Du hast dich Prag gegenüber stets loyal gezeigt. Das bist du doch, Margarethe, oder?«
Verwirrt bejahte die Angesprochene. Sophie ließ sie los. »Gut, mein Kind, denn schau, unser Reich ist groß, und die Zeiten sind schwer. Sigismund, der Halbbruder meines Gatten, strebt nach der Macht, und schon zweimal wäre es ihm beinahe geglückt, den Königsthron an sich zu reißen. Und nun auch noch die Hussiten! Wir müssen uns der Treue unserer Verbündeten sicher sein. Das verstehst du doch, Margarethe, oder?«
Das Mädchen wurde blass. Hatte die hohe Herrin von dem Zwischenfall am Rossmarkt erfahren? Wenn ja, von wem? Mihai! Bestimmt hatte das Bürschlein seiner Schwester postwendend erzählt, dass er sie mit Albrecht und Jan erwischt hatte. Diese musste es der Königin zugetragen haben, und die wiederum hatte zwei und zwei zusammengezählt. Aber so schnell? Wie konnte das möglich sein? Und hatte die Königin nicht schon vor Margarethes Rückkehr nach ihr rufen lassen?
Die Waldeckerin suchte gerade nach einer passenden Ausrede, als die Herrscherin fortfuhr: »Höre, Margarethe, für eine treue Hofdame ist die Königin gerne bereit, eine Empfehlung aussprechen, die ihr die Zukunftssorgen nehmen könnte.«
Überrascht sah Margarethe die Königin an. Das Gespräch nahm eine vollkommen andere Richtung, als sie befürchtet hatte. Eine Strafpredigt war das jedenfalls nicht.
»Ein angenehmer Gedanke, Margarethe, nicht wahr?«
Das Mädchen senkte verwirrt den Kopf. Die Herrscherin deutete dies als Zustimmung und lächelte zufrieden. Eine Weile schwieg sie. Margarethe glaubte, die Augen ihrer Herrin im Nacken zu spüren.
»Doch bedenke, mein Kind, auch eine Königin kann keinen Mann, auch keinen Lehnsmann, zur Heirat zwingen. Es ist an dir, ihn zu überzeugen. Was ich sagen möchte: Für Männer zählt oft der erste Eindruck. Wenn die Wollust sie packt, vergessen sie das Pfennigfuchsen.« Es folgte eine weitere Pause, in der die Königin zurück zu ihrem bequemen Lehnstuhl ging und sich darin niederließ. Ihre Gewand raschelte und knisterte. »Du hast ein gefälliges Wesen, Kind, aber auf dein Äußeres musst du mehr achten.«
»Gewiss, hohe Herrin«, flüsterte Margarethe. Sollte das alles gewesen sein? Margarethe dachte nach. Natürlich würde sie gerne schöne Kleider aus Brokat tragen, mit Schmuckärmeln aus böhmischer Spitze und einem perlengeschmückten Schapel in ihrem roten Haar, aber was würde der Preis dafür sein?
»Dein Haar, Mädchen«, tadelte die Königin weiter, »deine Zofe taugt nicht viel. Ich werde veranlassen, dass du eine andere bekommst. Und was deine Aussteuer angeht: Ich habe dir ein hübsches Kleid in die Kammer bringen lassen. Trage es gleich heute zum Nachtmahl. Es ist aus dunkelblauem Brokat und wird deine grünen Augen gut zur Geltung bringen. Und Margarethe – gib dir besondere Mühe mit deinem Aussehen heute Abend. Wie gesagt, es steht viel für dich auf dem Spiel.«
Margarethe war immer noch damit beschäftigt, den Worten der Königin einen Sinn zu geben. Heilige Maria, die Pläne der Monarchin schienen weit fortgeschritten zu sein. Doch hatte sie nicht eben erst gesagt, der Herr von Waldeck wäre viel zu geizig, als dass sich irgendjemand für seine Tochter interessieren könnte?
»Margarethe, hast du mich verstanden?«, hakte die Königin unwirsch nach.
Die junge Hofdame nickte hastig und stammelte einen Dank. Gleichzeitig wurde ihr klar, was die Worte der Königin für sie bedeuten würden. Panik stieg in ihr auf. Sie würde von hier fort müssen, das Bett mit irgendeinem Manne teilen und auf dessen Landsitz ohne ihre Freunde leben. Heftiger Widerstand regte sich in ihrem Herzen. Nein! Sie wollte ihre Freiheit behalten! Sie wollte weiterhin an Albrechts Seite den Wind in den Haaren fühlen und dem Freund zusehen, wie er mit Jan im Wasser balgte, während sie die Füße in die Sonne reckte. Sie wollte Albrechts Atem trinken und seine Hand in ihrer spüren. Während sie so ihren Gedanken nachhing, rauschten die Worte der Königin an ihr vorbei.
»Dort hättest du alles, was sich eine Frau in deiner Lage wünschen kann. Und wenn dein Gatte
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