Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
ihrem Schreibzimmer auf sie zu warten. Sie hat gleich Zeit für Euch.«
Katerina schnaubte ärgerlich. Sie hasste es, wenn man sie warten ließ. In jedem Fall würde sie sich bei ihrem Vater beschweren, wie geringschätzig man sie hier behandelte. Mit rauschenden Röcken betrat sie den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihrem Rücken. Sie war allein. Zuerst blieb sie unschlüssig an der Tür stehen, dann jedoch wanderte sie ein wenig im Zimmer herum und warf dabei einen Blick auf die Dokumente auf dem Schreibtisch. Sie hatte recht gut lesen gelernt, und die Schriftstücke waren zudem in deutscher Sprache abgefasst und nicht auf Latein, womit sie sich schwertat. Doch das Einzige, was sie zu Gesicht bekam, waren Bestelllisten und Rechnungen.
Dann jedoch fiel ihr ein Papier auf, das offensichtlich in solcher Eile in die Schublade gesteckt worden war, dass eine Ecke daraus hervorlugte. Katerina horchte. Keine Schritte zu hören. Sie schielte auf das Schriftstück und versuchte, etwas zu erkennen. Lateinische Worte. Katerinas Herz schlug schneller. Es war natürlich ein unentschuldbares Vergehen, in der Königin Papiere zu schnüffeln, aber die Neugierde war stärker. Katerinas Hand tastete nach dem Messinggriff der Lade. Ein Ruck und sie war offen. Das betreffende Schriftstück lag leicht zerknittert obenauf. Die Wettinerin versuchte, die Worte zu entziffern. Ein christlicher Text. Irgendeine Predigt. Eine Predigt? Ihr Blick glitt zum Ende des Textes. Das Blatt war in der Mitte gefaltet, und sie musste es herausnehmen und auffalten, um die Unterschrift lesen zu können. Katerinas Augen weiteten sich. In diesem Moment hörte sie eilige Schritte. Hastig versuchte sie, die Schublade zu schließen. Sie klemmte. Das verflixte Papier hatte sich darin verfangen. In ihrer Not riss die Wettinerin daran, und da war es auch schon geschehen. Das Schriftstück riss mitten durch. Die Schritte waren jetzt ganz nah. Gleich würde die Tür aufgehen. Kurz entschlossen steckte sich das Mädchen den unteren Teil des Papiers in den Ausschnitt. Endlich gab auch die Schublade nach, gerade noch rechtzeitig. Katerina sprang vom Schreibtisch weg und zum Fenster, als die Tür aufging und Sophie den Raum betrat.
»Ach, da bist du ja«, wurde sie begrüßt.
Die Wettinerin war in einen ungewöhnlich tiefen Hofknicks versunken, damit man die hektischen Flecken in ihrem Gesicht nicht bemerkte. Doch ihre Sorge war unbegründet. Die Königin hatte keinen zweiten Blick für sie übrig.
»Ich habe einen Auftrag für dich, mein Kind«, fuhr sie bereits fort. »Du begleitest mir als Anstandsdame den Vogt von Weida und Margarethe bei einem Jagdausflug.«
Sie machte eine gebieterische Geste, ohne dass Katerina überhaupt etwas gesagt hatte. Diese hätte in diesem Moment allem zugestimmt, nur um mitsamt dem verräterischen Schreiben möglichst schnell verschwinden zu können.
»Ich weiß, dass du für derlei Zeitvertreib nichts übrig hast«, beschwichtigte die Königin, »doch ich wünsche es. Du erhältst zu diesem Zweck ein hübsches neues Jagdkleid. Der Schneider hat bereits den Auftrag von mir.«
»Wie Ihr wünscht, Euer Majestät«, presste Katerina zwischen den Zähnen hervor.
»Du darfst dich entfernen.«
Katerina musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht einfach hinauszustürmen und den Gang entlangzuhetzen. Sie hatte das Gefühl, dass man sie jeden Moment zurückrufen und die Königin sie zur Rede stellen würde, aber nichts geschah. Halb ohnmächtig vor Angst knallte sie die Tür ihrer Kammer hinter sich zu und legte den Riegel vor. Erst danach fischte sie das Schriftstück aus ihrem Ausschnitt. Mit angehaltenem Atem betrachtete sie die Unterschrift.
Am Sonntag erwachte Margarethe mit klopfendem Herzen. Während sie ein fröhliches Lied summte, ließ sie sich in ihr hübschestes Kleid helfen und sich kämmen.
Margot zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Lass mich raten. Der Weida ist’s nicht, für den du dich so herausputzt. Ich tippe auf Albrecht.«
»Was du schon wieder denkst, Margot!« Margarethe hob scherzhaft den Zeigefinger. »Ziemt es sich etwa nicht, sich angemessen zu kleiden, bevor man das Haus Gottes betritt?«
»Ordentlich gewiss, aber dies hier ist wohl eher … hm, ein bisschen aufreizend?« Das junge Mädchen lächelte verschmitzt. »Noch etwas Wangenrot und sämtliche anwesenden Herren werden andächtig vor dir auf die Knie sinken.«
»Du übertreibst mal wieder schamlos«, antwortete Margarethe leichthin.
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