Die Fallen von Ibex
waren uns beinahe einig, daß wir uns nicht einig sind.”
Da war ein Hauch von Bitterkeit in ihrer Stimme. „Wenn Sie bitte einen Moment warten wollen.” Sie ging zur Tür zurück, sehr forsch; das leichte Nachziehen des linken Beines fiel kaum auf.
„Kommen Sie morgen wieder”, sagte sie zu den Männern. „Wenn Sie daran interessiert sind, weiterzuverhandeln - zu meinen Bedingungen. Wenn nicht… es gibt genügend andere Handelshäuser.”
Das Büro selbst war kaum verändert; es war noch immer klein und gemütlich, eine angenehme Kombination verschiedenster Erdfarben, und nach wie vor bestand die Möblierung allein in einigen Schwebesesseln und einem massiven Tisch, die vor einem breiten Fenster plaziert waren, so daß tagsüber natürliche Helligkeit in den Raum hereinfluten konnte. Anders als damals war dieses Fenster heute mit handgewobenen Terreverte-Vorhängen verhängt, die in weichen Falten vor dem Glas schwebten.
Hana bot Aleytys Platz an, setzte sich ihr gegenüber; angespannt, die Hände flach auf das polierte Holz der Tischplatte gepreßt.
„Sie haben ihn gefunden?”
„Ich habe ihn gefunden”, bestätigte Aleytys.
„Sil Evareen?”
„Existiert, und es ist kein Traum, mehr ein Alptraum.” Aleytys tupfte mit dem Daumennagel auf die Tischplatte und nickte zu der gegenüberliegenden Tür hin. „Gewähren Sie mir freien Zutritt.”
Hanas Finger schlossen sich um die Tischkante. Ihr Blick senkte sich, ihr Kopf neigte sich nach unten. „Sie können beweisen, daß Sie ihn gefunden haben?”
„Keine Spielchen, Hana Esgard.” Aleytys ließ die Frau nicht aus den Augen. Hanas Hautfarbe war jener der Evareener sehr ähnlich, doch war sie mit ihrer Vitalität jedem von ihnen haushoch überlegen. Lebendiger als damals, vor sechs Monaten. Esgards Abwesenheit hatte seiner Tochter gutgetan. Aleytys lächelte. Sollte er je zurückkehren und versuchen, die Geschäfte wieder an sich zu rei
ßen, würde ihm ein harter Kampf bevorstehen. Irgendwann, vielleicht; wenn die Evareener in ihrem Blut und in den Gewebeproben gefunden hatten, was sie brauchten. Sie betrachtete Hana und war überrascht, daß sie so wenig Zorn für diese Frau empfand, die sie belogen und getäuscht, die sie auf diese lange, mörderische und nutzlose Reise geschickt hatte; kein Zorn darüber, in die Irre geführt worden zu sein, nichts - nur das Wissen um die Notwendigkeit, das hier zu Ende zu bringen, den Kreis zu schließen. Sie fuhr fort: „Eigentlich müßte ich dich anschreien, aber ich bin zu müde.”
Ihre Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten, bitteren Lächeln. Es wäre bequemer gewesen, diesen Zorn nicht niederzukämpfen; so oder so - sie wußte nicht recht zu sagen, wie sie sich momentan fühlte. Oder doch: benommen. Das traf es noch am besten. Sie fuhr sich übers Gesicht. „Was allerdings nicht heißt, daß ich dir auch nur um ein Haar mehr vertraue als unbedingt nötig; oder weniger bekomme, als man mir schuldet. Esgard behauptet, er habe dir den Code gegeben, und ich glaube ihm. Er hat es viel zu sehr genossen, mir das zu eröffnen… viel zu sehr, um zu lügen. Dann gab er mir, was zu bekommen ich mich so nutzlos abgemüht habe.” Wieder wischte sie sich übers Gesicht. „Jetzt, Hana Esgard, bitte ich dich noch einmal, mir Zugang zum Computer und zu der Satellitenverbindung zu gewähren. Ich werde nicht noch einmal darum bitten.”
Hana sah auf, das Gesicht steif gemacht von der Anstrengung, die sie unternahm, sich zu beherrschen. „Was hat er Ihnen gesagt?
Was hat er Ihnen mitgegeben - für mich mitgegeben?”
Aleytys griff den Tischrand und beugte sich vor - so heftig, daß der Schwebesessel nach hinten glitt. Sie stand auf. „Nichts”, sagte sie. „Gar nichts. Nur einen Rat. Er läßt dir sagen, du sollst dich in Geduld fassen und warten.”
„Nichts?” Hanas Knöchel wurden weiß, so sehr umklammerte sie die Armlehnen des Sessels. Sie riß den Kopf herum, schleuderte die Flut ihrer Haare aus dem Gesicht zurück und starrte zu Aleytys hinauf; ihre Lippen wurden schmal, bis sie fast verschwunden schienen. „Nichts?” Ihre Stimme hob sich zu einem schrillen Quietschen. „Er hat versprochen…“Sie schaute nach unten, so daß der Haarschleier wieder fiel und das Gesicht verbarg.
„Er hat dir die Vryhh-Daten versprochen. Wenn du dafür sorgst, daß ich mich auf seine Fährte setze.”
„Nein. Nein. Wenn es mir gelingt, ihn zu finden; wenn ich schlau genug bin, ihn aufzuspüren.”
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