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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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das Gesicht eines bleichen Mannes, das über ihm schwebte, aber zu undeutlich war, um es zu erkennen.
    Katzan?
    Dann riss er wieder die Augen auf.
    Da lag er, hörte die Straße und war wieder bei sich.
    Er wollte wach bleiben. Ein paar Seiten Rimbaud lesen.
    Er wusste nun, warum er zurückgekommen war. Sein Vater war gestorben, und Claire lächelte ihn an. Claire, mit ihrem koketten, gezügelten Lächeln. Ihre Hände berührten sein schweißnasses Gesicht, ihre weichen Lippen seinen Mund, während sie mit ihm sprach. Worte, die er sich nie gemerkt hatte. Worte, die er nur am Klang wiedererkannte und die sich durch das plötzliche Läuten an der Haustür verzerrten.
    Mit Rimbaud in den Händen schleppte sich François durch den Flur, öffnete und sah in ein dunkelhäutiges Gesicht.
    »Wer bist du?«, flüsterte er und sackte, von einem Schwächeanfall überwältigt, zu Boden.
    »Vera.« Die dunkle Frau sprach viel zu leise.
     
    Später fühlte er, dass ihn Menschen umringten. Dass man ihn vom Boden aufnahm, zudeckte und irgendwo hintrug. Ein Stich, dann wurde ihm heiß. Die fremden Stimmen, die er dumpf wahrgenommen hatte, entfernten sich. Eine Hand strich über sein Gesicht, etwas Wärmendes legte sich über seinen Körper. Eine andere Frauenstimme flüsterte ihm etwas ins Ohr.

4
    »F RANÇOIS S ATEK ?«
    »Claire«, lallte er mit halbgeschlossenen Augen und fühlte, dass es ein anderes Aufwachen war als sonst. Er wollte nicht zu sich kommen. Das Gesicht, das sich zu ihm herabbeugte, verströmte einen angenehmen, frischen Duft. Die Hände, die sich in seine legten, waren weich, die Stimme so vertraut.
    »Ich bin nicht Claire«, sagte die Stimme und entfernte sich.
    François hatte Mühe, die Lider zu öffnen.
    Sie hatten ihn in Tiefschlaf versetzt, und jetzt, zwischen Wachen und Träumen hin- und hergerissen, glaubte er, sich für die eine oder andere Welt entscheiden zu können.
    Wo war er? Benommen von der künstlichen Müdigkeit versuchte er sich zu orientieren und tastete in Gedanken die fremde Umgebung ab.
    Gekalkte Wände, eine Neonlampe, das Weiß der Betten, der kalte, silbrige Stahl. Die hohen Decken, die lindgrünen Vorhänge.
    »Sie haben Angst gehabt«, sagte die Frau, die an seinem Bett saß.
    »Angst?«
    François konnte sich an nichts erinnern, ahnte aber, dass etwas Unvorhergesehenes passiert sein musste. Er war in einem Krankenhaus. Es roch so komisch. Dann musterte er die Frau. Die Art, wie sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr strich. Diese Art kannte er doch.
    »Ich bin Dr. Rosen. Psychotherapeutin auf dieser Station. Hören Sie mich?«
    »Ma chère«, sagte François und legte den Zeigefinger auf seine Lippen.
    »Psst!«
    »Sie hatten eine Art Nervenzusammenbruch«, sagte sie. »Bevor sie bewusstlos geworden sind, haben Sie mit einer Waffe gespielt und einen Schuss abgegeben. Wissen Sie das noch?«
    François rieb sich die Augen.
    »Tut mir Leid«, sagte er, ohne zu wissen, auf welche Frage er antwortete, und bemerkte, dass er eine Erektion bekam. Er wollte, dass diese Frau, die so sanft und eindringlich mit ihm sprach, dichter kam.
    Schöne, blaugrüne Augen, umringt von langen, geschwungenen Wimpern und jede Menge Lachfältchen, dachte er und blinzelte sie an. Die Frau sah zu gut aus. Zu gut für eine … was … Psychotherapeutin?
    Er schätzte sie auf vierzig, höchstens Mitte vierzig. Was war nur mit ihrem Haar? Ihr schönes blondes Haar, es hatte im Neonlicht einen rötlichen Schimmer angenommen und schien ihre Schultern zu berühren wie ein Fächer, den eine unsichtbare Hand bewegte.
    »Kennen wir uns?«, fragte François.
    Erschrocken lauschte er seiner Stimme. Sie klang wie nach einer durchzechten Nacht. Dann glaubte er, Claire würde auf ihn einreden und ihm sagen, dass alles nur ein Traum wäre. Aber da saß diese Seelenklempnerin.
    Was sollte er machen? Sein Gedächtnis war in tausend Teile zersprungen.
    »Ich dachte, ich habe …«
    Er war sicher, dieser Frau schon einmal begegnet zu sein, und er war sicher, dass er von ihr nichts zu befürchten hätte. Es war peinlich. Er konnte nicht. Er konnte nichts sagen, ihr nichts erklären, und doch fasste er in den ersten Sekunden seines dämmrigen Zustandes Vertrauen und blieb wie gebannt an ihr hängen. Vielleicht waren es ihre Brüste, die er mit seinen müden, glasigen Augen noch nicht recht abschätzen konnte und die er sich jetzt genauer ansehen wollte. Vielleicht nur ihr Tonfall.
    François schlug die Decke auf und streckte

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