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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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sich.
    Sollte er ihr sagen, dass alles ein Irrtum ist: dieses Bett hier, seine Müdigkeit, der Name Claire, dieser Schuss, an den er sich nur vage erinnerte?
    Er wollte mit ihr schlafen und warf ihr einen herausfordernden Blick zu, dabei wusste er genau, dass dieser Blick nicht treffen würde. Er war ihr ausgeliefert. Er, ein schlapper Sack in einem weißgetünchten Zimmer. Aber seine Geschlechtsdrüsen, die bereits auf Hochtouren liefen, und seine Fantasien, die aus dem Nichts zu kommen schienen, sprachen dafür, dass er es eines Tages versuchen sollte. Später, beschloss er, später, denn Hindernisse wie diese waren nur dazu da, seinen Appetit anzuregen. Dann richtete er sich auf, und tastete nach Rimbaud.
     
    Depuis huit jours, j’avais déchiré mes bottines Aux cailloux des chemins …
     
    Acht Tage lang ließ ich meine Stiefel zerreißen. Auf Straßenkieseln …
     
    Die Tür ging auf. Ein Arzt kam ins Zimmer. Umständlich machte er sich an einem Ding neben der Tür zu schaffen.
    Affe, dachte François und ließ das Buch fallen.
    Der Affe trug eine seidene Krawatte, weiße Punkte auf rotem Untergrund.
    Warum glotzte der so?
    »Grüß Gott, Herr …«
    »Satek«, antwortete François, lauter als beabsichtigt, »und Sie?«
    Keine Antwort.
    François beobachtete, wie der Mann den Rest einer blauen Flüssigkeit zwischen seine Finger verteilte, die er vorher aus einem Plastikbehälter gedrückt hatte. Während er sich damit sorgfältig einrieb, nickte er zweimal der Therapeutin zu und machte eine tiefe Verbeugung.
    Was sollte das Theater?
    Seine Augen hinter der dicken schwarzen Brille sahen aus wie Glubschaugen.
    Hatte er richtig verstanden? Der Mann murmelte etwas von Abklatschprobe, von Noso, von Nosokomialen Infektionen.
    Dann tauschte er den leeren Plastikbehälter gegen einen vollen aus.
    »Wir haben ein Problem mit dieser Lieferung hier«, sagte er. »Aber unser größtes Problem sind die Staphylokokken.«
    »Die was?«
    François hatte große Lust, den Schwätzer an die Luft zu befördern.
    »Das sind Bakterien«, hörte er den Mann reden, »die traubenförmige Haufen bilden und Lungenentzündungen, Lebensmittelvergiftungen oder septische Schocks verursachen können.«
    »Aha?«
    Die Therapeutin zupfte an ihrem Rock und sah an dem Typen vorbei, der mit sich selbst zu reden schien.
    »Ach, wissen Sie«, sagte er. »Ich kann das Gejammere über die Hygienesituation in Krankenhäusern schon nicht mehr hören. Auf die viel gestellte Frage, ob das Krankenhaus krank macht, habe ich eine klare Antwort: Nein!«
    Dann ging er auf die Therapeutin zu.
    »Wie klein die Welt ist, Frau Doktor Rosen. Ich freue mich, Sie zu sehen.«
    Schleimer, dachte François und konnte nicht genau verstehen, was sie erwiderte, doch die Stille des Zimmers war verräterisch. Die beiden schienen sich zu kennen.
    »Seien Sie barmherzig, Gnädigste«, fing der Mann wieder an. »Auf einen Kaffee? Kommen Sie doch, wenn Sie hier fertig sind, auf einen Sprung in mein Dienstzimmer vorbei. Sie wissen doch wo?«
    Dann küsste er die Luft über ihrer Hand.
    Die Therapeutin machte ein verzweifeltes Gesicht, der Typ sah aus, als hätte sie ihn beleidigt.
    »Wir hatten vier Jahre, Frau Doktor Rosen. Viermal pro Woche, das haben Sie doch nicht …«
    »Vergessen?« Dr. Rosen lächelte. »Keinesfalls.«
    Mochte sie den nun oder nicht? Schwer zu sagen. Ihr Gesicht war gerötet. Anscheinend wollte sie den Typen loswerden. Aber warum war sie dann so freundlich?
    »Wir werden uns sicher wieder über den Weg laufen, Herr Dr. Wolowiec.« Sie lenkte den Mann in Richtung Tür. »Jetzt, wo Sie dieses Krankenhaus, na, wie soll ich sagen, hygienisch überwachen und hier eine feste Stelle haben?«
     
    Das eine Bein aus dem Bett gestreckt, die Hand auf der Matratze abgestützt, wollte François aufstehen, um sich endlich wieder bemerkbar zu machen, doch dann zog er es vor, liegen zu bleiben, warf sich zurück in die Kissen und klopfte nur mit der flachen Hand auf seine Bettdecke.
    »Jetzt bin ich wieder dran. Ich«, sagte er, nahm den zerfledderten kleinen Gedichtband zwischen seine Finger und fixierte Dr. Wolowiec, der krampfhaft die Türklinke festhielt.
    »Was macht so eine schöne Frau wie Sie an einem so hässlichen Ort?« François schlug denselben Tonfall an wie dieser Affe.
    Dr. Rosen schwieg.
    Endlich klappte die Tür zu, dann war der Mann wieder draußen.
    »Komischer Typ«, sagte François.
    »Und Sie?«, fragte die Therapeutin.
    »Ich?«
    François

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