Die falsche Frau
Sie
an die Arbeit, lieber Herr Gerlach. Ich versuche, Ihnen den Rücken frei zu
halten, so gut ich kann. Und ich versuche, Ihnen weitere Mitarbeiter zu
besorgen.«
Frau Dr. SteinbeiÃer schob ihren schmalen Aktenordner ins
kalbslederne Köfferchen mit Goldbeschlägen.
Die Besprechung war zu Ende, und wie üblich steckte der Schwarze
Peter in meinem Kartenfächer.
Balke und Krauss erreichte ich über ihre Handys. Wie ich
waren sie der Ãberzeugung, dass sie keine Chance hatten. Wie ich hatten sie
keine Idee, woher wir weiteres Personal nehmen sollten. Auch Seifried, der
Leiter der Schutzpolizei, verbrachte sein Wochenende im Büro. Und auch er hatte
längst keine Reserven mehr. Schon gar nicht heute, wo diese verdammte Megademo â¦
Ein Anruf Liebekinds rettete mich. Das Polizeipräsidium Mannheim
stellte mir eine kleine Streitmacht von acht Kolleginnen und Kollegen zur
Verfügung. Zwei Frauen und sechs Männer, die meine Leute bei der diskreten
Ãberprüfung leer stehender Wohnungen und Ferienhäuser, verlassener Fabrikgebäude
und Gartenhütten unterstützen würden. Jedes einzelne Anwesen würde mindestens
einen Mitarbeiter mindestens eine halbe Stunde lang beschäftigen.
Man brauchte keine Mathematik, um zu begreifen: Es war von
vornherein hoffnungslos.
In der Innenstadt tobte seit fast einer Stunde das Chaos.
»Jo? Schwachsinn!«
Adrian Horstkottes Reaktion auf meine Neuigkeit war nicht heftig
genug, um glaubwürdig zu sein. Er widersprach mir mehr aus Prinzip als aus
Ãberzeugung.
»Warum nicht?«
Anstelle einer Antwort zog er die Nase hoch. Ich nahm mir einen der
robusten Holzstühle und setzte mich an den schweren Tisch in dem eigens für
Verhöre eingerichteten Raum der Mannheimer JVA. Mein heute nicht mehr ganz so
feindselig dreinschauender Gesprächspartner saà mir gegenüber und beobachtete
seine Finger dabei, wie sie auf der Tischkante träge Gymnastik machten.
»Weil â¦Â«, sagte er schlieÃlich.
»Sie haben es gewusst, nicht wahr?«
»Einen Scheià habe ich.«
Seine Stimme klang eine winzige Spur brüchig. Das Selbstbewusstsein,
die Rotzigkeit waren nur noch gespielt.
»Ich habe Beweise. Er war in der Nacht auf Ihrem Rad und mit Ihrem
Handy in der Tasche in der Nähe des Hauses. Er hat sich später bei einer
Freundin ausgeweint â¦Â«
Mit verkniffener Miene starrte Horstkotte auf die grüne Tischplatte
zwischen uns. Ich streckte die Beine von mir, faltete die Hände im Genick.
Horstkotte atmete laut. Hin und wieder schluckte er. Es fiel ihm
schwer, seine Nervosität zu verbergen. In der Ferne heulte der Motor eines
schweren Motorrads auf, erstarb wieder. Im Hof zwei Stockwerke unter uns wurde
gefegt. Ich hörte das gleichförmige, rhythmische Kratzen des Besens, hin und
wieder das Klappern eines Blecheimers. Horstkottes linkes Augenlid zuckte jetzt
immer häufiger. Allmählich begann mein linkes Bein einzuschlafen. Nach zwölf
Minuten und dreiÃig Sekunden begann er zu sprechen.
»Ja, ich habe es gewusst«, murmelte er mit müder Stimme und
hartnäckig gesenktem Blick. »Aber nicht genau. Ich weià nur, dass Jonas ScheiÃe
gebaut hat. Der Spast ist ja eifersüchtig gewesen wie ein Wahnsinniger. Auf
Peter, ausgerechnet, dieses hochnäsige Kapitalistensöhnchen! Jo, der ist â¦Â« Er
machte eine fahrige Handbewegung ins Leere. »â¦Â komplett ausgetickt. Voll im
Arsch war der. Nicht zum Aushalten. Echt, nicht zum Aushalten.«
»Sie wussten von seiner Beziehung zu von Arnstedt?«
»Er hat ja jedem die Ohren vollgeflennt, der nicht schnell genug
Leine gezogen hat. Tagelang ist das so gegangen. Wochenlang.«
»Wie hat er herausgefunden, wo Peter von Arnstedt steckt?«
»Telefon, schätze ich mal. Jonas hat sich hin und wieder mein Handy
ausgeliehen. War okay für mich. Er war eine arme Sau. Null Peilung, null Kohle,
null Plan. Aber harmlos wie ein Streuselkuchen.«
»Immerhin hat er eine aufgebohrte Schreckschusswaffe mit sich
herumgetragen.«
Horstkotte sah an mir vorbei an die Wand, blinzelte nachdenklich.
»Die habe ich ihm besorgt. Im Winter ist er mal übelst verdroschen
worden. An den Neckarstaden. Von ein paar besoffenen Typen aus Michelstadt. War
nicht das erste Mal, aber diesmal warâs besonders krass. Jo war irgendwie ⦠das
geborene Opfer. Der hat so was an sich gehabt,
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