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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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noch
einmal gedrückt. Dann ließ ich sie allein. Eine Party in Anwesenheit von
Erziehungsberechtigten hatte schon zu meiner Zeit als peinlich gegolten. Und
Balke würde nicht nur als DJ fungieren, hatte er mir versprochen.
    Montag, der zwanzigste September.
    Noch dreiundzwanzig Tage bis zum Beginn der Wirtschaftsgespräche.
    Liebekind war zurück.
    Meine erste Diensthandlung an diesem herbstklaren Morgen war ein
halbstündiger Besuch bei ihm, um seinen Wissensdurst zu befriedigen. Meine
stille Hoffnung war, dass ich ab sofort nicht mehr zu diesen langweiligen
Besprechungen ins Rathaus musste.
    Am Sonntag war das Wetter trüb und regnerisch gewesen, die Zwillinge
kaum aus den Betten zu bewegen, ich selbst faul und schwankender Laune. Ich
hatte spät und in himmlischer Ruhe gefrühstückt und das Mittagessen mangels
Publikum einfach ausfallen lassen.
    Beim Abendessen – in der Zeitung hatte ich ein neues Rezept für
vegetarische Lasagne entdeckt – waren meine inzwischen wieder zum Leben
erwachten Töchter erneut auf das leidige Gesprächsthema Henderson gekommen.
Diesmal jedoch aus einer ganz anderen Ecke.
    Â»Paps«, fragte Louise mit scheinheiligem Blick. »Wie viel verdienst
du eigentlich?«
    Â»Zu wenig.«
    Â»Mehr als zweitausend Euro im Monat?«
    Â»Das schon, ja.«
    Â»Mehr als fünftausend?«
    Â»Was soll das denn jetzt?«
    Â»Sag, mehr als fünftausend?«
    Â»Ich sage gar nichts, solange ich nicht weiß, worauf ihr hinauswollt.«
    Â»Der durchschnittliche Arbeitnehmer verdient pro Jahr ungefähr vierzigtausend
Euro«, verkündete Sarah stolz.
    Â»Davon gehen allerdings noch Steuern ab und Sozialabgaben. Außerdem
sagt der Durchschnitt gar nichts. Es gibt auch bei uns Menschen, die Millionen
verdienen, und andere, die mit weniger als tausend Euro im Monat zurechtkommen
müssen. Friseurinnen zum Beispiel oder Putzfrauen.«
    Â»Arbeiten die anderen denn so viel mehr als die Putzfrauen?«
    Ich versuchte, meinen Mädchen begreiflich zu machen, dass der
Vorstand eines Großunternehmens Verantwortung für zigtausend Mitarbeiter trug.
Und außerdem natürlich sehr viel besser ausgebildet war als Reinigungspersonal.
    Â»Putzen kann jeder. Ein Unternehmen leiten, das ist etwas, wozu man
eine Menge gelernt haben muss, versteht ihr? Und je weiter oben jemand steht,
desto mehr Geld bekommt er, damit die unter ihm sich ordentlich anstrengen, um
vielleicht irgendwann seinen Posten zu kriegen.«
    Â»Du bist doch auch Chef. Verdienst du auch Millionen?«
    Â»Dann würden wir in einem schönen Haus am Heiligenberg wohnen und
ein tolles neues Auto fahren.«
    Â»Und nicht so ’ne blöde alte Kiste«, ergänzte Sarah mit Blick zur
Decke.
    Damit war das Gespräch zu meiner Verblüffung schon zu Ende gewesen.
Sie hatten das Thema gewechselt und mir von der Party vorgeschwärmt. Ungefähr
die Hälfte der anwesenden Mädchen hatte sich in Sven Balke verguckt.
    Â»Der ist ja echt der Supertyp«, durfte ich mir anhören. »Was der für
coole Sprüche drauf hat!«
    Â»Obwohl er schon so alt ist!«
    Balke würde demnächst sein dreißigstes Lebensjahr beenden.
    Jedenfalls war es ein sensationelles, wundervolles, echt geiles,
nicht zu toppendes Fest gewesen und das supertollste Geburtstagsgeschenk, das
zwei Teenager sich überhaupt wünschen konnten.
    Â»Wie war’s in Münster?«, fragte ich, nachdem ich meinem
Chef herzlich die Hand geschüttelt hatte. Seit ich wusste, dass er wusste, dass
ich regelmäßig mit seiner Frau schlief und er aus gewissen Gründen nichts
dagegen einzuwenden hatte, war unser Verhältnis fast freundschaftlich geworden.
    Â»Ich habe das Gefühl, unser Nachwuchs wird mit jedem Jahr dümmer«,
seufzte er. »Aber das haben unsere Professoren seinerzeit vermutlich auch über
uns gesagt.«
    Â»Man kann es meines Wissens schon bei den alten Ägyptern nachlesen.»
    Wir setzten uns. Liebekind, ein bedächtiger Zwei-Meter-Riese, hinter
seinen mächtigen Schreibtisch aus dunklem Holz, ich davor. Er wirkte ausgeruht
und war zufrieden, dass Heidelberg während seiner Abwesenheit nicht in Chaos
und Gesetzlosigkeit versunken war. Im Großen und Ganzen war er ein angenehmer
Chef. Ein Chef, der die Forderungen als Erster erfüllte, die er an seine Untergebenen
stellte. Der morgens oft genug vor mir da war und abends nicht

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