Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
selten nach mir
das Büro verließ. Er schien ein wenig abgenommen zu haben, was seiner
Gesundheit bestimmt nicht schadete. Dennoch schätzte ich ihn immer noch auf
über einhundert Kilo.
    Ich erstattete Bericht. Hin und wieder stellte er Fragen.
    Ich dachte an Theresa. Sie hatte mir im Lauf des Wochenendes nicht
weniger als zwölf SMS geschrieben und sich wortreich für ihren Ausbruch am
Freitagabend entschuldigt. Ich hatte keine davon beantwortet. Dreimal hatte sie
angerufen, und ich hatte nicht abgenommen. Mir unterstellte niemand ungestraft,
ich würde mich für irgendwen zur Hure machen. Auch nicht Theresa.
    Zugegeben, meine Reaktion war kleinlich und unreif und vielleicht
auch ein wenig übertrieben. Aber ich hatte eine in meinen Augen gute Ausrede:
Ich war immer noch erkältet. Nicht mehr so schlimm, aber als Begründung für
kleinkariertes Verhalten genügte es. Nach unserem Streit hatte ich letztlich
doch nur zwei Gläser Wein bei Susi getrunken und war noch halbwegs nüchtern
heimgekehrt. Auch heute Morgen war schon wieder eine Nachricht von Theresa
gekommen, schwankend zwischen der Sorge, es könnte vorbei sein, Zorn über meine
Bockigkeit, die sie nicht ganz zu Unrecht kindisch nannte, und der ernst
gemeinten Bitte um Entschuldigung. Irgendwann würde ich wohl antworten müssen.
Ich war selbst gespannt, was ich schreiben würde.
    Liebekind hatte etwas gesagt und erwartete eine Antwort von mir.
    Â»Wie bitte?«, sagte ich. »Entschuldigen Sie, ich …«
    Â»Sie sind krank?«
    Â»Es geht schon wieder.«
    Â»Ich fragte, wie groß Sie das Risiko eines Anschlags einschätzen.«
    Â»Einen Anschlag können wir natürlich nicht ausschließen. Irgendein
Selbstmordattentäter, der sich unters Publikum mischt – da können wir nur
hoffen, dass so was nicht passiert. Dass ein Anschlag auf Henderson Erfolg hat,
ist aber nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen. Niemand wird näher als
hundert Meter an die Herrschaften herankommen. Niemand wird auch nur Zeit zum
Zielen haben, weil sie in der Öffentlichkeit ständig in Bewegung sein werden.
Während der Sitzungen werden keine Schiffe auf dem Neckar unterwegs sein, keine
Flugzeuge in der Luft. Kritisch sehe ich nur die Anreise- und die Abreisephasen
und die Schlossbesichtigung am Donnerstag. Die ist leider ein ausdrücklicher
Wunsch von Mister Henderson. Auch die Amerikaner sind nicht glücklich darüber.«
    Mein Chef nickte befriedigt. Das ist es, was Chefs hören wollen:
dass man die Sache im Griff hat. Dass sie sich keine Gedanken machen müssen.
Wir redeten noch ein wenig über dies und das. Liebekind erzählte von seiner
Vorlesung, die er schon seit vielen Jahren hielt, und ich hatte allmählich
wieder Sehnsucht nach seiner Frau.
    Â»Was ist das eigentlich für eine Geschichte mit diesem Herrn von
Lüdewitz?«, fragte Liebekind, als wir uns schließlich erhoben. »Frau Ragold hat
ja am Ende kein anderes Thema mehr gekannt.«
    Â»Da wird vielleicht noch die eine oder andere Beschwerde auf Sie
zukommen. Unsere beiden Damen haben ihm während seiner Abwesenheit eine Art
Besenkammer im Erdgeschoss freigeräumt, gleich neben den Toiletten. Noch weiß
er nichts davon, weil er immer noch krank ist.«
    Â»Er ist krank?«
    Â»Ich fürchte, Ihre gute Frau Ragold hat ihn vergiftet. Aber ich bin
sicher, er wird es überleben.«

16
    Im Gegensatz zu mir hatte Evalina Krauss das Wochenende in
der Direktion verbracht.
    Â»Dieser Prochnik ist richtig reich gewesen«, berichtete sie. »Ein
paar Tage, bevor er untergetaucht ist, hat er aber praktisch sein ganzes Geld
verschenkt. Vorher hat er ein fettes Wertpapierdepot gehabt. Eins Komma vier
Millionen in Aktien und Schuldverschreibungen. Im Juni hat er dann alles
aufgelöst, eine halbe Million an Greenpeace überwiesen, das Gleiche an Attac,
zweihunderttausend ans Tierheim und noch mal hunderttausend an Amnesty
International. Den Rest hatte er sich in bar auszahlen lassen. Hunderttausend
Euro, und die sind jetzt womöglich in dem Haus verbrannt. Das muss man sich mal
vorstellen! Sein Girokonto existiert übrigens noch. Auf dem sind knapp
viertausend, und seit Anfang Juli ist nichts mehr abgehoben worden.«
    Â»Woher stammt das viele Geld?«, fragte ich in die Runde.
    Allgemeines Achselzucken. Vor elf Jahren hatte Jürgen Prochnik seine
nicht übermäßig erfolgreiche

Weitere Kostenlose Bücher