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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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passenden Stövchen. Daneben
eine winzige Trinkschale im selben Design.
    Â»Ein Glas Wasser wäre nett.«
    Ihre Augen waren so hellgrau wie ihr Pullover. Der ostdeutsche
Akzent kaum mehr zu hören. Sie verschwand kurz in der Küche, kam zurück mit
einem hohen, beschlagenen Glas, in dem Eiswürfel klimperten, stellte es achtlos
auf den Couchtisch.
    Wir nahmen Platz. Sie auf einer für meinen Geschmack etwas zu
klotzigen schwarzen Ledercouch. Ich gegenüber in einem dazu passenden Sessel.
Frau Weibel wirkte weder verlebt noch wie eine Drogensüchtige, sondern wie eine
selbstbewusste Frau, die wusste, was sie vom Leben erwartete und wie sie es am
besten erreichen würde.
    Â»Was haben Sie gegen meine Kollegin?«, fragte ich.
    Â»Sagen wir’s mal so«, erwiderte sie charmant lächelnd und mit
direktem Blick in meine Augen. »Ich ziehe männliche Gesellschaft vor.«
    Ich trank einen Schluck eiskaltes Wasser.
    Â»Und jetzt stellen Sie Ihre Fragen«, fuhr sie fort, als ich das Glas
abstellte. Das Lächeln war erloschen, der unverblümte Blick geblieben. »Ich
möchte noch eine Runde laufen, bevor es dunkel wird.«
    Â»Es dauert noch ungefähr drei Stunden, bis es dunkel wird.«
    Â»Ich laufe ziemlich lange.«
    Â»Was war Jürgen Prochnik für ein Mensch?«
    Â»Der Jürgen«, erwiderte sie zögernd, als müsste sie erst noch einmal
nachdenken. »Ein Spinner war er, aber irgendwo tief drinnen auch eine Seele von
Mensch. Man konnte ewig quatschen mit ihm, ohne sich zu langweilen. Kann man
nicht mit jedem. Die meisten Kerle wollen einem ja so schnell wie möglich an
die Wäsche.«
    Â»War er regelmäßiger Gast im Pussycat?«
    Â»Gar nicht. Er war nur ein einziges Mal da, vor Jahren schon. Als
Erstes ist mir aufgefallen, dass er geizig war. Den ganzen Abend hat er nur
Sprudelwasser getrunken. Erst später habe ich herausgefunden, dass er hin und
wieder auch Alkohol trinkt. Meistens aber nicht. Aus Überzeugung. Der Jürgen
hat eine Menge Überzeugungen gehabt. Überzeugungen waren sein Hobby. Bei seinem
Besuch damals hat er sich ein bisschen in mich verguckt. Passiert schon mal,
dass Kunden sich vergucken. Dann heißt es, vorsichtig sein. So was kann mächtig
Ärger geben. Klar darf man in meinem Job nicht zimperlich sein. Da wird schon
mal gegrapscht und gefummelt. Aber wenn Gefühle ins Spiel kommen, wird’s
kritisch. Einer wollte sich sogar mal scheiden lassen meinetwegen. Und später
auch noch von der Rheinbrücke werfen. Ich hatte meine liebe Not, dem Kerl das
Köpfchen wieder gerade zu rücken.«
    Â»Wie kommt es dann, dass Sie Herrn Prochnik später zu Hause besucht
haben?«
    Sie zog eine Grimasse, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
    Â»Irgendwie hat er meine Handynummer herausgefunden. Gott allein
weiß, wie. Er hat mich angerufen und angebettelt. Er wollte nur reden. Mehr
nicht. Nur reden. Aber ins Pussycat wollte er nicht mehr kommen. Und er wollte
gut bezahlen fürs Reden. Na ja, habe ich gedacht. Mittwoch und Donnerstag sind
meine freien Tage. Bastian killt mich, wenn er es erfährt. In meinem Vertrag
steht ausdrücklich, dass private Kontakte zu Kunden verboten sind. Aber mir ist
das Höschen auch näher als die Jeans, und man bleibt nicht ewig jung. Ich weiß
ja nicht, wie Sie über so was denken, und es ist mir auch ziemlich schnuppe. Es
ist mein Leben, und es ist meine Art, mein Geld zu verdienen. Nur damit eines
klar ist: Ich bin keine Nutte. Bei meinem Job ist an der Unterwäsche Schluss.
Mehr gibt’s nicht. Mein Plan war, es zu machen, bis ich dreißig bin, und mich
dann irgendwo im Süden niederzulassen. Falls ich nicht vorher über Mister Right
stolpere, natürlich.«
    Sie nippte an ihrem Tee und sah mir wieder in die Augen.
    Â»Und jetzt bin ich achtunddreißig«, fuhr sie lächelnd fort, »und
mache es immer noch. Auch wir Barmädels haben durch die Finanzkrise Federn
gelassen.«
    Sie schwieg für Sekunden. Dann wurde ihr Blick plötzlich feindselig.
»Was rede ich hier? Sie wollten was über Jürgen hören, nicht über mich.«
    Â»Wissen Sie etwas über seine politischen Ansichten?«
    Zu meiner Überraschung lachte sie aus vollem Hals. »Für Jürgen hat’s
überhaupt nichts anderes gegeben als politische Ansichten. Ich bin immer die
ganze Nacht bei ihm geblieben. Bei ihm gab’s

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