Die falsche Frau
war
plötzlich verschwunden. »Er ist ein Freund von mir. Der Bastian, das ist der
Arsch, was mein Chef ist, der denkt, ich mache nebenher Privatgeschäfte. Stimmt
aber nicht. Es ist nichts Geschäftliches. Wir sind nur befreundet.«
»Wie gut kennen Sie ihn?«
»Schon ein bisschen. Hat er denn irgendwas verbrochen? Wird das ein
Verhör oder so was?«
»Nein. Ich möchte einfach nur von Ihnen hören, was für ein Mensch er
war.«
»War? Wieso âºwarâ¹?«
»Er ist tot. Tut mir leid, Ihnen das am Telefon sagen zu müssen.«
»Braucht Ihnen nicht leid tun. So gut befreundet waren wir auch
wieder nicht.« Wieder eine kurze Pause. Im Hintergrund hörte ich leise
klassische Musik. Ein Flötenkonzert, Händel vielleicht. »Hat er ⦠einen Unfall
gehabt?«
»Er ist bei einem Brand ums Leben gekommen. Und es wäre gut, wenn
wir das Gespräch so bald wie möglich führen könnten.«
Die Tür öffnete sich, Helena Guballa kam zurück, nickte mir
zerstreut zu und setzte sich wieder an ihr Schreibtischchen.
»Ich kann aber nicht nach Heidelberg kommen«, sagte Sabrina Weibel.
»Erstens habe ich keine Zeit, und auÃerdem ist mein blödes Auto schon wieder
kaputt.«
»Ich komme gerne zu Ihnen.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war
halb drei am Nachmittag. »Sagen wir, in einer Stunde?«
»Ups!« Sie kicherte wie ein Teenager bei einem unsittlichen Antrag.
»Wenn es Sie nicht stört, dass nicht aufgeräumt ist â¦Â«
Ich behielt den Hörer in der Hand und drückte die Direktwahltaste zu
Evalina Krauss. Beim Gespräch mit der Prostituierten wollte ich weiblichen
Begleitschutz haben. Krauss hatte jedoch um fünf einen Zahnarzttermin und bat
um Dispens.
»Ich könnte Sie begleiten«, sagte Helena Guballa, als ich auflegte.
»Nur wenn Sie mögen natürlich.«
Ãberrascht sah ich sie an. »Warum nicht?«, sagte ich.
Sabrina Weibel war eine ausgesprochen hübsche, zierlich
gebaute Frau von vielleicht fünfunddreiÃig Jahren, die offensichtlich viel Zeit
und Aufwand in ihre körperliche Fitness investierte. Sie hatte überhaupt nichts
Nuttiges an sich, nichts Anrüchiges, nichts Klebriges.
»Die nicht«, sagte sie mit einem kalten Blick auf meine Begleiterin
im kamelbraunen Dufflecoat, als wir vor ihrer Tür standen.
»Wieso? Ich verstehe nicht â¦Â«
»Sie haben gesagt, Sie kämen her, um sich mit mir über Jürgen zu
unterhalten. Von einer Frau war nicht die Rede.«
Sie trug eine perfekt sitzende schwarze Jeans und einen dünnen,
grauen Rollkragenpulli aus weicher Wolle. Sie war ungeschminkt und inzwischen
offenbar hellwach. Das schwarze Haar trug sie knabenhaft kurz geschnitten, was
ihr vorzüglich stand.
»Es wäre mir aber lieber, wenn ich ⦠Es ist leider auch Vorschrift.«
»Na dann â¦Â« Sie nickte mir sachlich zu. »â¦Â wünsche ich angenehme
Rückfahrt.«
Ich wechselte mit Helena Guballa einen ratlosen Blick. Die hob die
Augenbrauen und wandte sich zum Gehen.
»Ich werd Sie schon nicht anknabbern«, erklärte Sabrina Weibel
heiter und ging voraus in ihre helle und geräumige Single-wohnung. Diese lag in
einem Neubaugebiet in Plittersdorf, einem westlichen Stadtteil von Rastatt, und
vom Wohnzimmer aus hatte man einen wunderschönen Blick ins Grüne und auf einen
in der Ferne glitzernden Altrheinarm.
Beim genaueren Hinsehen hatte ich das Giorgio-Armani-Emblem über der
GesäÃtasche der Jeans und die Fältchen um die Augen der jungen Frau bemerkt.
Anstelle von Schuhen trug sie dicke und vermutlich von irgendeiner Omahand gestrickte
Wollsocken. In der Zwischenzeit hatte die doch nicht mehr ganz so junge Frau
offensichtlich Ordnung geschaffen. Die Wohnung war mit Geld und Geschmack
eingerichtet und wirkte keineswegs wie die Bleibe einer Dame aus dem Gewerbe,
in dem Sabrina Weibel ihre Brötchen verdiente. Aus den kleinen Lautsprecherboxen
erklang jetzt nicht mehr Flötenmusik von Händel, sondern das Violinkonzert von
Brahms. Es duftete nach einem frischen Frühlingsparfüm.
»Tee?«, fragte meine Gastgeberin. »Das da ist chinesischer
Jasmintee. Ich habe aber noch ungefähr dreiÃig andere Sorten im Schrank.«
Auf dem rauchgläsernen Couchtisch stand ein chinesisches Teekännchen
aus fast durchsichtigem Porzellan auf einem dazu
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