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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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ausnahmsweise Full Service und am
Morgen achthundert bar auf die Kralle. Er hat enormen Wert darauf gelegt, dass
ich immer erst im Dunkeln komme und wieder verschwinde, bevor die ersten Leute
auf der Straße sind. Das Auto musste ich zwei Straßen weiter parken. Aber für
achthundert kann man auch mal ein paar Schritte gehen.«
    Â»Geld hat er offenbar genug gehabt.«
    Â»Hat er. Er hat mir aber nie verraten wollen, woher es kommt. Sonst
prahlen die Typen ja gerne mit ihren Jobs oder ihren Autos oder Firmen. Das
Immobiliengeschäft, das er früher hatte, ist nicht so irre gut gelaufen, habe
ich rausgehört. Ich tippe auf eine Erbschaft. Oder Lotto. Jedenfalls hat er
immer komisch rumgedruckst, wenn ich in die Richtung gestichelt habe.«
    Â»Wie oft waren Sie mit ihm zusammen?«
    Sie zog die Stirn kraus und sah zur Decke. »Fünfzig Mal? Ja, das
kommt hin. Fünfzig Mal. Das lief Jahre. Schade, dass es jetzt vorbei ist. Hatte
mich schon gewundert, dass er sich nicht mehr gemeldet hat.«
    Vierzigtausend. Steuerfrei. Es gibt Momente, in denen ich verstehen
kann, warum manche Polizisten korrupt werden.
    Â»Erbschaft halte ich für unwahrscheinlich«, sagte ich. »Aber das ist
nicht das Thema. Was waren denn nun seine politischen Ansichten?«
    Â»Dass wir Menschen dabei sind, die Welt mit Karacho an die Wand zu
fahren. Dass es fünf Minuten nach zwölf ist. Dass sie spätestens übernächste
Woche untergeht, diese Welt. Aus wechselnden Gründen. Meistens ist es um die
Umwelt gegangen. Wenn ich zu ihm gefahren bin, habe ich immer meine warme
Strickjacke eingepackt, weil diese Knalltüte ja nicht geheizt hat. Er hat allen
Ernstes versucht, ohne Strom und Öl auszukommen. Auf der Autobahn ist er nie
schneller als achtzig gefahren, hat er mir erklärt. Und im nächsten Satz auf
die Lkw-Fahrer geschimpft, die ihn natürlich reihenweise angeblinkt und
überholt haben. Und – ach Gott, die Amerikaner, die hatte er ja gefressen.
Haben Sie gewusst, dass die Amis, obwohl sie nur fünf Prozent der Weltbevölkerung
stellen, ein Viertel aller Energie verjubeln? Ist ja schon bescheuert, das
verstehe sogar ich. Ich bin nicht blöde, auch wenn ich mein Geld nicht mit dem
Kopf verdiene.«
    Sie füllte den Rest des blassgrünen Tees aus der Kanne in ihr
Schälchen und pustete energisch das Teelicht aus. Draußen, vor den großen
Fenstern, schrie ein großer Vogel, als wäre er über irgendetwas sehr traurig.
Dabei kam mir ein verrückter Gedanke. Ich versuchte, die Frage möglichst neutral
zu formulieren: »Hat er Ihnen gegenüber mal von seinen Erfahrungen mit Frauen
erzählt?«
    Â»Frauen?« Wieder lachte sie. »Da gab’s wohl nur eine. Und die hatte
er eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich denke, ich habe ihn an sie
erinnert. Er hat mal eine Bemerkung in diese Richtung gemacht. Sie war wohl der
Grund, warum er mich immer wieder zu sich gebeten hat.«
    Â»Wer diese Frau war, wissen Sie aber nicht?«
    Â»Nur, dass er sie sehr geliebt und ziemlich verrückte Sachen mit ihr
zusammen gemacht hat.«
    Â»Verrückte Sachen?«
    Â»Mehr wollte er nicht sagen. Sie war wohl seine große Liebe
gewesen.«
    Â»Halten Sie es für denkbar, dass er – wie soll ich es ausdrücken? –
irgendwann beschlossen hat, Nägel mit Köpfen zu machen?«
    Â»Der Jürgen?« Dieses Mal klang ihr Lachen traurig. »Hunde, die
bellen, habe ich immer gedacht. Die eine Hälfte von meinen achthundert habe ich
damit verdient, mir sein Gelaber anzuhören. Die andere – nun ja, er war nicht
mehr der Jüngste. Und das Reden war ihm irgendwie auch wichtiger. Das hat er
total gebraucht. Es hat Nächte gegeben, da sind wir gar nicht zur Sache
gekommen.« Sie nippte an ihrem Tee, der sehr heiß zu sein schien, sah mir mit
ihren großen, grauen Augen aufmerksam ins Gesicht. »Was genau meinen Sie mit
Nägeln mit Köpfen?«
    Â»Dass er nicht mehr nur redet und zu Demonstrationen geht, sondern
ernst macht.«
    Â»Sie meinen, was richtig Schlimmes?«, fragte sie vorsichtig.
    Â»Was richtig Schlimmes.«
    Sie nickte in ihren Tee, sah aus dem Fenster. An ihrem zierlichen
Ohrläppchen funkelte ein Steinchen, das vermutlich nicht von Swarovski stammte.
    Â»Geredet hat er davon. Nein, geredet nicht. Mehr so Andeutungen
gemacht. Dass Quatschen nichts verändert. Dass es ein paar Leute gibt,

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