Die falsche Frau
hatte«, warf ich ein. »Bisher ist das alles nur Spekulation.«
»Einen Beweis werden wir vielleicht auch niemals bekommen. Die
dritte Generation der RAF hatte nur etwa zwanzig Mitglieder. Von der Hälfte
kennen wir bis heute nicht einmal die Namen. Die sind immer noch auf freiem
FuÃ.«
»Dann wäre Prochnik so etwas wie ein Schläfer gewesen«, sagte ich.
»Ein Schläfer, den Judith Landers geweckt hat.«
»Möglich ist vieles«, sagte die Zielfahnderin unbestimmt, sprang auf
und verlieà eilig das Büro.
»Was auch immer der Plan war â¦Â« Balke grinste schief. »Jedenfalls
ist er gründlich in die Hose gegangen. Wird wohl nichts werden mit dem Anschlag
auf den amerikanischen Geldsack.«
»Geben die Kontoauszüge sonst irgendwas her?«
Balke zuckte die Achseln. »Ich bin noch nicht ganz durch. Bisher
habe ich mich nur um die groÃen Beträge gekümmert.«
Mein Telefon summte. Ich nickte Balke zu, woraufhin er aufsprang und
verschwand.
»Der Herr Bach ist in der Leitung«, sagte Sönnchen. »Sie wollten ihn
ja noch mal sprechen â¦Â«
»Sind Sie allein?«, fragte ich, nachdem wir uns begrüÃt hatten.
»Meine Frau ist einkaufen. Warum fragen Sie?«
»Ich habe den Verdacht, dass Sie die junge Dame kennen, die Sie
vorhin so schön beschrieben haben.«
»Sie haben recht«, erwiderte er zögernd. »Aber ich wäre Ihnen sehr
verbunden, wenn meine Frau nichts davon erfahren müsste â¦Â«
»Was wir reden, bleibt selbstverständlich unter uns.«
Er räusperte sich umständlich. »Sie arbeitet im ⦠ähm ⦠im Pussycat.
In Iffezheim.«
Das Geständnis schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten.
»Ich könnte ja jetzt sagen, ein Bekannter oder so ⦠Aber das wäre
albern. Es ist ⦠meine Frau ⦠sie denkt, ich gehe zweimal die Woche kegeln. Ich
kann mir vorstellen, was Sie jetzt von mir denken.«
»Wo und mit wem Sie Ihre Abende verbringen, geht mich nichts an.«
»Sie nennt sich Nadine. Mit langem i.« Nun klang er schon wieder
etwas entspannter. »Sie ist aber keine Französin, auch wenn sie gerne so tut.
Sie stammt aus Mecklenburg.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Oâ¦Â«
Es klickte. Er hatte aufgelegt.
19
Nadine mit langem i hieà in Wirklichkeit Sabrina Weibel,
wusste ich nach einem phasenweise etwas lautstarken Telefonat mit dem
Geschäftsführer des Clubs, der in einem Industriegebiet in der Nähe der
Iffezheimer Pferderennbahn residierte.
»Was hat sie denn jetzt schon wieder ausgefressen?«, war seine erste
Frage gewesen. »Ständig gibtâs Stress mit der Tussi. Diese Ossis, man sollte
die Mauer umgehend wieder aufbauen, sag ich immer.«
»Sie hat überhaupt nichts ausgefressen«, hatte ich geantwortet. »Ich
brauche sie als Zeugin.«
»Ich schmeià sie raus, die dumme Fotze, wenn sie noch mal Ãrger
macht! Die vergrault mir die Kundschaft mit ihren Zicken. Und sie versaut mir
die Disziplin im Personal, weil sie dauernd gegen mich stänkert.«
Nachdem ich mir einen mit zahllosen Kraftausdrücken gewürzten
Vortrag über aufmüpfige Angestellte angehört hatte, die hinter seinem Rücken
versuchten, gegen ihren groÃherzigen Arbeitgeber so etwas wie einen Betriebsrat
zu etablieren (»Nutten? Wo kommen wir denn da hin?«), erfuhr ich endlich das,
weshalb ich eigentlich angerufen hatte: Sabrina Weibels Anschrift. Ihr Dienst
begann heute erst um zweiundzwanzig Uhr, weshalb ich sie zu Hause erreichte.
»Polizei?«, fragte sie schläfrig, nachdem sie das Handy ungefähr
zehnmal hatte läuten lassen. »Was soll denn jetzt schon wieder sein?«
»Nichts. Er geht um einen gewissen Herrn Prochnik.«
»Proch-wie?« Sie gähnte herzhaft, klang jedoch schon ein wenig wacher.
Sie hatte eine dunkle, angenehme Stimme und sprach, vermutlich aus Gewohnheit,
mit verführerischem Unterton. »Hat der Herr auch einen Vornamen?«
»Jürgen. Jürgen Prochnik.«
Kurze Pause.
»Und was ist mit ihm?«
»Gar nichts ist mit ihm. Ich würde mich nur gerne mit Ihnen über
Ihren Bekannten unterhalten.«
»Und wie kommen Sie darauf, dass ich den Herrn kenne?«
»Es gibt Zeugen, die Sie mehrfach vor seinem Haus gesehen haben.«
»Jürgen«, wiederholte sie gedehnt. Der erotische Unterton
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