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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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langer Lkw versperrte
mir für kurze Zeit die Sicht. Dann sah ich auch den Mann, den mein Mitarbeiter
verfolgte. Er war größer als Balke, trug schwarze Jeans und einen ebenso
schwarzen Kapuzenpulli. Eben flankte er – durch einen Rucksack auf der rechten
Schulter leicht behindert – über die Mittelleitplanke, blickte nach rechts,
wartete auf eine Lücke, die sich auch schon bot, rannte los. Wieder sah ich für
kurze Zeit nichts als einen haushohen Lkw mit holländischer Aufschrift.
    Nun war Balke es, der warten musste, während der Verfolgte
unversehrt das rettende Ufer erreichte. Ich selbst verspürte wenig Lust, auf
der Autobahn meine Knochen zu riskieren, und sah nervös, aber tatenlos zu, wie
Balke nach zwei Anläufen endlich loslief. Es wurde gehupt und gebremst und noch
einmal gehupt. Dann war auch mein sportlicher Untergebener drüben und tauchte ins
Gebüsch. Der schwarz Gekleidete war schon seit Sekunden verschwunden.
    Durch das Brausen und Tosen des Verkehrs hörte ich Männerstimmen
rufen. Dann knallte etwas, was sich zu meinem Entsetzen sehr nach Schuss
anhörte. Nach einem Pistolenschuss. Wieder ein aggressiver Ruf, etwas wie:
»Stehen bleiben! Polizei!« Dann ein zweiter Knall. Ob aus derselben Waffe oder
einer anderen, war nicht auszumachen.
    Dann nur noch Verkehrsrauschen.
    Dröhnende Lkws, singende Reifen, Abgasgeruch.
    Ich zückte mein Handy, wählte mit fliegenden Fingern Balkes Nummer.
Er nahm nicht ab. Es tutete und tutete, meine Hände wurden feucht und kalt.
Schließlich wählte ich die Eins-Eins-Null und schlug Großalarm.
    Ich beorderte einen Hubschrauber in den Bereich östlich der Autobahn
und so viele Streifenwagen wie nur möglich. Während ich die Böschung wieder
hinabschlitterte, bestellte ich außerdem eine kleine Armee nach Eppelheim, wild
entschlossen, das Haus jetzt und sofort wegen Gefahr im Verzug stürmen zu
lassen.
    Der Mann im schwarzen Kapuzenpulli war gewiss nicht geflohen, weil
er in der Straßenbahn schwarzgefahren war. Und auch Verbrechern Unterschlupf zu
gewähren, war ein Straftatbestand.
    Bereits zwei Minuten später war ich nicht mehr allein. Ein
Streifenwagen des Eppelheimer Reviers fegte mit wimmernden Reifen um die Ecke,
Augenblicke später ein zweiter, ein dritter. Die Kollegen verteilten sich nach
meinen Anweisungen im Laufschritt rund um das Haus. Damit war das Anwesen so
weit gesichert, dass keine Maus es mehr ungesehen verlassen konnte.
    Selbst hier, zwanzig, dreißig Meter von der A 5 entfernt, roch es
nach Dieselabgasen und Autobahnstaub. Die Sonne schien heute von einem milchig
überzogenen Himmel. Aus der Ferne wehte ein leichter Herbstwind die Töne vieler
Martinshörner heran. Mit dem Hubschrauber gab es leider Schwierigkeiten, erfuhr
ich zwischendurch. Ein in Mannheim stationierter Polizeihubschrauber war gerade
in Wartung, ein zweiter, der der Autobahnpolizei gehörte, irgendwo weit weg
beschäftigt. Er würde sich in Kürze auf den Weg machen. Aber das würde
vermutlich nicht mehr viel helfen. Noch immer keine Nachricht von Balke.
    Die Minuten verstrichen.
    Das Haus blieb verschlossen.
    Wieder und wieder wählte ich vergeblich Balkes Nummer.
    Als die anrückenden Mannschaftswagen schon deutlich zu hören waren,
knackte die Haustür, und eine magere, groß gewachsene Frau trat mit
theatralisch über den Kopf gehobenen Händen ans Licht. Drei Schritte vor der
Tür blieb sie stehen.
    Â»Wir kennen ihn nicht!«, schrie sie. In ihrer Stimme vibrierte
Angst.
    Sie trug einen Minirock aus braunem Wildleder, dazu einen karottenroten
Rollkragenpulli. Überraschend elegante Frisur, an den Füßen halbhohe Pumps in
zum Pullover passender Farbe. Nicht unbedingt das, was ich in einem besetzten
Haus erwartet hatte.
    Ich gab den nervösen Kollegen einen Wink und ging auf die Frau zu.
Mit jedem Schritt, den ich näher kam, nahm sie die Hände ein klein wenig weiter
herunter. Hinter mir brummten die ersten Mannschaftswagen heran und wirbelten
weiteren Staub auf.
    Â»Ich suche Adrian Horstkotte«, sagte ich zu der Frau, die mich in
einer Mischung aus Trotz, Furcht und Interesse musterte.
    Â»Der wohnt nicht mehr hier«, behauptete sie fest.
    Â»Er hat aber hier gewohnt?«
    Â»Bis vor sechs Wochen. Ungefähr.«
    Im dunklen Flur hinter ihr entdeckte ich Kinder. Fünf, sechs oder
mehr.
    Â»Sind Sie allein hier? Mit den

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