Die Falsche Tote
würde. 4,1 Millionen Pfund, Jesus, das mussten fünfzig Millionen Kronen sein. Ragnar griff zum Telefon.
Barbro war ganz allein im Büro und versuchte, alles im Griff zu behalten. Ihr Kontaktmann beim Radiodienst hatte ihr soeben bestätigt, dass die Radaranlage gerade sendete. Deshalb waren alle Kontakte abgebrochen. Nach einem auf Sekunden genauen Plan sendeten alle Anlagen in der Ostsee zwischen zwei und fünf Uhr zu Beginn jeder Stunde für sechs Minuten. Das Ziel der Anlage auf Yxlö war in dieser Nacht eine Kontrollboje, die zwischen Öland und Gotland trieb, und danach ein Ort mit dem Namen Ventspils in Lettland. Aufhalten konnten die Schüsseln nur die dort anwesenden Techniker. Da die Anlagen an kaum zugänglichen Küstenstellen standen, bezogen sie ihren Strom aus einer Batterie, die tagsüber von einem Dieselgenerator aufgeladen wurde.
Das Einsatzkommando in Nynäshamn meldete sich. Der Hubschrauber hatte abdrehen müssen, nachdem die Bordelektronik beim ersten Anflug eine volle Breitseite von der Schüssel abbekommen hatte. Der Pilot hatte sogar geglaubt, dass die Schüssel absichtlich auf ihn gerichtet worden war. Das konnte jedoch nicht sein. Der Einsatzleiter hatte daraufhin beschlossen, seine Leute in Motorbooten auf der abgelegenen Seite der Inselspitze abzusetzen.
Dann rief Ragnar an.
»Ich habe hier etwas Eigenartiges entdeckt«, erzählte er. »Anscheinend sind Yngve und Eleni Jernberg vor kurzer Zeit gestorben. Wisst ihr etwas darüber?«
Barbro sprang auf und lief in den Besprechungsraum, wo auf der langen Schreibtafel an der Wand immer alle Informationen zusammengetragen wurden. »Sicher nicht«, sagte sie nach einem weiträumigen Blick über die Tafel. »Über die Eltern ist nichts bekannt. Schweden melden sich nicht bei der Botschaft an, wenn sie im Ausland leben. Das können wir nur über die griechischen Behörden herausfinden.«
»In diesem Fall muss die Botschaft etwas wissen.«
Ragnar las ihr das Schreiben vor. »Anscheinend ist Stavros Jernberg nur Treuhänder und gar nicht der Begünstigte, oder nur zum Teil. Kannst du nicht mal versuchen, jemand bei der Botschaft zu erreichen? Damit wir wissen, wer das sein soll.«
»Ich weiß es schon«, sagte Barbro.
Sie starrte auf Kjells Tafeldiagramm, das wegen seines Zentrums schon lange veraltet war. »Schwesternschaft?«, stand da mit einem unregelmäßigen Kreis darum, und zum ersten Mal kapierte Barbro, warum eins plus eins elf sein sollte.
86
Lasse rief aus dem Obergeschoss. Die Villa war so groß, dass sie bestimmt bis zum Vormittag hierbleiben mussten. Per stemmte sich auf und joggte auf den mit flauschigem Teppich ausgelegten Treppenstufen hinauf.
Lasse erwartete ihn in einem kleinen Zimmer, das noch unpersönlicher wirkte als die anderen Räume. »Wohin man sich sehnt!«, lachte Lasse. »Hier haben wir die ganzen Bücher! Die steckten noch in der Plastiktüte.«
Gut versteckt unter dem aufklappbaren Kastenbett entdeckten sie unter Winterdecken einen abgenutzten alten Plastikkoffer. Darin lagen zwei Jeans, die lange Jahre getragen worden sein mussten. Niemand kannte die Marke. Lasse faltete die anderen Wäschestücke auf, aber es gab sonst nichts in diesem Koffer zu entdecken. Auch im Zimmer nicht. Die Tüte mit den Büchern hatte in der Nachttischschublade gelegen. Darin gab es nur noch einen Stadtplan von Stockholm und eine Dose Handcreme. Beides stammte aus Schweden.
»Hast du gesehen, wie das Bett gemacht war?«, fragte Per. »Ich habe noch nie ein so perfekt gemachtes Bett gesehen.«
Jemand rief.
Per und Lasse suchten im Gang nach dem Techniker, der gerufen hatte. Der Neue, dessen Namen Per aus pädagogischen Gründen immer wieder vergaß, kniete vor dem Schreibtisch. Sonst enthielt das Zimmer nur drei Fitnessgeräte und einen Fernseher. Per ging neben dem Neuen in die Hocke und griff eines der Geldbündel aus der aufgebrochenen Lade und betrachtete den Papierstreifen, der es zusammenhielt.
»Ruf Barbro an«, wies er Lasse an. »Das Geld aus dem Schuhkarton stammt aus dieser Schublade.«
87
Sie verstanden es nicht. Der schmale Ausschnitt, den die Schränke und Kisten aus dem Innenraum freigaben, zeigte, dass Josefin am Leben war. Kjell und Henning kauerten am Seitenfenster und sahen sie von hinten. Josefin kniete auf einem Bett und hatte den Oberkörper steil aufgerichtet. Ihre Arme konnten sie nicht sehen. Jemand lag auf dem Bett.
»Sie richtet eine Waffe auf ihn«, flüsterte Henning.
Sofi hatte hinter einem
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