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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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aus Feuer, fantasierte Kjell.
    Josefin Rosenfeldt wurde in ihrer Familie meist Jossan genannt, und soweit der Vater wusste, taten das auch ihre Freunde. Die Mutter war schon ein Jahr nach Josefins Geburt gestorben. Das erinnerte Kjell ein wenig an seine eigene Familie. Seit vier Jahren war er mit Linda ganz allein.
    Das Wohnrecht für Josefins Wohnung hatte Rosenfeldt bezahlt, einen Wohnkredit hatte er für die zwei Millionen nicht benötigt. Offiziell war er Mitglied der Wohnungsgenossenschaft und nicht seine Tochter. Kjell ließ Sofi dieses Detail in ihren Notizen unterstreichen, denn es war die einzige Datenverbindung der Rosenfeldts zur Sigtunagatan.
    Jossans Auszug aus der Elternwohnung habe die Gestalt eines sanften Entzugs gehabt, anders als ihr Bruder Oskar hing sie am Vater. Das Verhältnis war immer noch innig. Waren sie beide in Stockholm, hatte noch keiner den Donnerstagabend ausfallen lassen, wo sie sich in einem Restaurant am Odenplan trafen und anschließend noch ins Kino gingen, meist ins Grand und manchmal auch am Hötorget. Für den Vater waren es die einzigen Stunden in der Woche, wo er von seiner Arbeit wirklich frei war. Das war eines der ersten Dinge gewesen, die er Sofi und Kjell erzählt hatte. Dass Josefin oder ihre Doppelgängerin in genau diesen Stunden an einem Donnerstagabend gestorben war, war dem Vater sogleich aufgefallen. Und hatte ihn nicht mehr losgelassen. Sofi hatte sich noch notiert, dass Josefin jeden Sommer mit dem Vater in Frankreich verbrachte. So war es jedes Jahr. Dass es für eine Frau in ihrem Alter ungewöhnlich war, keine eigenen Urlaubsideen zu entwickeln, war dem Vater gar nicht aufgefallen. Josefin studierte seit drei Semestern. Rosenfeldt konnte berichten, dass sie Kurse in Geschichte und Sozialwissenschaften belegte. Sofi hatte auch gleich nach Freunden gefragt, aber offenbar tat sich Josefin schwer, Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen und war auch nicht daran interessiert, Freundschaften zu erhalten. In ihrer Zeit auf dem Gymnasium hatte sie zwei Freunde gehabt und eine beste Freundin, die aber seit einem Jahr Geologie in Spitzbergen studierte.
    Ob Josefin neue Kontakte an der Universität geknüpft hatte, konnte der Vater nicht beantworten. Bei ihren Donnerstagabenden sprachen sie nämlich meist über die Arbeit des Vaters. Er behauptete, dass seine Tochter ein sagenhaftes Gespür für politische Konsequenzen und Machenschaften habe, er hingegen gar keines. Die beiden hatten also ganz andere Themen zu besprechen als Josefins Privatleben. Er glaubte, dass sie nicht nur ungern über solche Dinge sprach, Privates nahm in ihrem Leben tatsächlich wenig Raum ein.
    Unnötigerweise deutete Sofi an, dass es jetzt in den Ferien schwer werden würde, mehr über Freunde herauszufinden, und probierte es noch einmal beim Frauendienst Kvinnojouren, wo die ganze Zeit besetzt war. Josefin hatte vor einem Jahr begonnen, dort Frauen in Not am Telefon zu beraten. Diesmal kam Sofi durch. Die Leiterin musste in den alten Schichtplänen suchen. Josefin war zum letzten Mal vor anderthalb Monaten dort gewesen und hatte sich bis zum Herbst abgemeldet, weil das Studium ihr keine Zeit lasse.
    Sofi dankte und zeichnete die neuen Informationen auf ihrer Zeitleiste ein, die sie in ihrem Notizblock angelegt hatte. Es war ihre Art, sich für alles im Leben durch Schreiben aufzuwärmen und manchmal auch abzukühlen, und so hatte sie es mit dem Strohhalm im Mund auf zweieinhalb Seiten gebracht. Kjell selbst ging nun zum fünften Mal durch, was Rosenfeldt ausgesagt hatte. Josefin war am 3. Juli mit ihrem Vater nach Saint Malo in der Bretagne geflogen. Dort besaß die Familie seit fünfzehn Jahren eine Wohnung im Stadtkern. Kjell war schon zweimal dort gewesen. Die Innenstadt war von einer breiten Festungsmauer umgeben, auf der man wie auf einem Boulevard um das Zentrum spazieren konnte. Von der Wohnung bis zum Stadtstrand hatte man nur hundert Meter zu gehen. Josefin war jeden Tag dort gewesen. Der Vater konnte von vielen losen Freundschaften zu Einheimischen in ihrem Alter berichten, die Josefin seit ihrer Kindheit kannte.
    Am 16. Juli eröffnete Josefin dem Vater, dass sie nach Stockholm zurückmüsse, nannte aber keine Gründe. Mit der Universität konnte es nichts zu tun haben. Das Semester hatte lange vorher am 10. Juni geendet, und das nächste begann erst in vier Wochen. Josefin hatte Stockholm auf jeden Fall erreicht, denn am 17. Juli, einem Dienstag, war sie nach Riddarholmen zum

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