Die Falsche Tote
oder?«
Linda nickte. Dass ausgerechnet sie zu wissen schien, wer sie war und warum sie hier war, hätte Linda zuletzt erwartet. Die schwarzen Haare reichten ihr über die Schulter und glänzten wie ein frisch geputztes Badezimmer. Ihr Gesicht war kräftig geschminkt. Linda hätte nicht sagen können, ob sie darunter hübsch oder hässlich war, aber die Schminke selbst schuf etwas Ideales.
In den nächsten acht Minuten und zweiundzwanzig Sekunden war es nur Paul, der ein wenig von seiner Aufmerksamkeit für seine Zeitung auch für Linda abzweigte. Sie bekam den Eindruck, dass die drei Frauen ein gespanntes Verhältnis zueinander hatten und nur Paul auf englische Weise neutral war. Die Stille änderte sich erst, als Fornell die Tür aufstieß. Linda kannte ihn nur von Bildern aus der Zeitung und aus einigen Berichten im Fernsehen. Da hatte er jedesmal unterschiedlich alt gewirkt. Er war aber in Wirklichkeit dreiundfünfzig und unverhohlen eitel. Als er Linda erblickte, grinste er und hielt inne. Er hatte doch wohl nicht vergessen, dass sie heute anfing! Er ging zu einem Schrank, holte Blätter heraus und begann, sie an eine Korkwand zu pinnen, die man durch den Raum rollen konnte. Linda erkannte, dass es die Bilder aus ihrer Bewerbungsmappe waren. Obwohl sie sich nie begegnet waren, richtete sich seine Begrüßung gar nicht an sie. Er trat hinter Linda und legte seine Hände auf ihre Schultern, wie Papa das in der Küche manchmal tat, wenn er sie ärgern oder trösten wollte. Fornell kaute hektisch auf einem Kaugummi, der schon einiges mitgemacht haben musste, so wie er quietschte.
»Fräulein Cederström war so freundlich, uns ihre Bilder direkt zukommen zu lassen. Sie bleibt die nächsten zwei Wochen hier und malt mit uns. Dann muss sie wieder zur Schule gehen. Herzlich willkommen, Linda!«
Linda befürchtete die ganze Zeit, Fornell würde ihre Schultern auch noch massieren, weil er bei jedem Satzzeichen kräftig zugepackt hatte, aber nach seiner Vorstellung nahm er seine Hände wieder weg.
Während sich Fornell einen Stuhl herbeizog, starrten die anderen auf Lindas Bilder. Fornell nahm nur Schüler in seine Meisterklasse auf, die die fünfjährige Kunsthochschule bereits beendet hatten und nun ein besonderes Stipendium erhielten. Die Klasse war mit ihren Ausstellungen nicht nur in Schweden bekannt. Die Schüler hatten schon einige Erfolge vorzuweisen. Das erklärte auch, warum sie alle gut zehn Jahre älter waren als Linda.
Fornell begann, ihr ereignisreiches Leben zu referieren. Die beiden spannendsten Ereignisse, Geburt und Einschulung, hatte er ihr bei dem Telefonat abgerungen.
»Linda, erzähl uns doch, worum es in deinen Bildern geht und wo du dich als Malerin in zehn Jahren siehst.«
Linda erstarrte. Das könnte sie nicht mal, wenn sie die ganzen Sommerferien darüber nachgedacht hätte. Alle starrten weiter zur Korkwand, aber von der Seite sah Linda Amelie irgendwann grinsen.
Fornell und die anderen lachten. Alles war nur ein Scherz gewesen. Linda entspannte sich, anscheinend so sichtbar, dass es die anderen noch mehr belustigte.
10
Der Rest des Kaffees war kalt geworden. Kjell würgte ihn hinunter. Lennart Rosenfeldt hatte ratlos und verwirrt gewirkt, Trauer, Panik oder Erleichterung war nicht zu erkennen gewesen. Zähe Minuten lang hatten sie verhandelt, ob es sich um eine Verwechslung der unglücklichen Art handeln konnte. Rosenfeldt war von dieser Einschätzung gar nicht abzubringen gewesen. Auch Sofi hatte Mühe gehabt, sich davon zu lösen. Nur Kjell war die Wahrheit klar geworden wie ein Schlag auf den Hinterkopf, noch ehe er den Gedanken wirklich hatte ausführen können. Die tote Frau war nicht nur aus Josefins Fenster gefallen. Sie war von der Isländerin ohne Zweifel als Josefin Rosenfeldt identifiziert worden und hatte in Josefins Zimmer gewohnt.
Nach einem kurzen und unergiebigen Gespräch hatte Kjell den Vater nach Hause gebracht, das in der Nähe des Polizeigebäudes am Norr Mälarstrand lag. Danach hatten sie sich auf den Weg zum Verhörraum machen wollen, wo die isländische Mitbewohnerin auf sie wartete. Aber nun saßen sie schon eine halbe Stunde im Seven-Eleven gegenüber dem Bezirkstag in der Hantverkargatan und schwiegen mit leeren Köpfen. Wer war die Tote und wo zum Teufel war Josefin? Sofi gab nach einigen zaghaften Einfällen auf. Der XL-Erdbeer-Splash hatte ihre Zunge rot gefärbt. An ihr schlugen Farben immer bis zum Rand des Pegels aus. In ihrem Inneren war Sofi ganz
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