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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Linusson hatte dies geprüft und verworfen. Frau Jansson ging jeden Samstagmorgen los und kehrte mit einem gefrorenen Hühnchen zurück. Und unter »Neurose« kamen keine Hühner vor, im Macumba seien Hühner gang und gäbe. Den beiden Pensionärinnen konnte sich in diesem Haus niemand entziehen, denn Frau Lemmason, wie Papa sie inzwischen nannte, wischte jeden Dienstag das Treppenhaus feucht durch und klingelte danach bei allen zum Abkassieren. Seit sie das Lexikon besaß, hatten alle Bewohner die vierzig Kronen schon abgezählt auf der Kommode liegen, damit an der Tür keine zum Reden einladende Stille entstand. Dennoch fand Papa, dass man sich Frau Lemmasons Metaphysik nicht entziehen konnte. Fast alle Menschen hörten auf zu suchen, sobald sie eine naheliegende Lösung gefunden hatten. Linda verstand nicht, warum die beiden Frauen nicht einfach Freundinnen wurden. Das hätte ihre Probleme sogleich gelöst.
    »Ich bin soweit!«, rief sie vom Balkon. Ich darf jetzt nicht zögern, dachte sie. Sie musste die Sache durchziehen.
    Sie stand auf dem Balkon, die Matratze hatte sie aufs Geländer gehievt. Sie quoll vor Wasser. Die Hose war schon nass. Zuvor hatten Linda und Umberto versucht, die Matratze über das Treppenhaus nach unten zu schaffen, aber die Futonmatratze war schon kaum zu heben, wenn sie trocken war. Linda sah Umberto unten auf die Wiese laufen und wartete auf sein Zeichen. Ihr schmerzten bereits die Arme, als er endlich winkte. Sie nahm Abschied und riss die Arme hoch. Die Matratze war sofort verschwunden. Linda beugte sich über die Brüstung, um ihr nachzusehen. Obwohl sie so schwer war, konnte sie noch ein bisschen segeln. Sie arbeitete sich Stockwerk für Stockwerk nach unten. Bei Sehlstedts im Dritten räumte sie die Geranien ab. Frau Sehlstedt würde sich freuen, dass sie das nicht mehr selbst erledigen musste, wenn sie aus dem Urlaub zurückkam. Umberto schlug die Hände vors Gesicht. Auf einmal steckte Frau Jansson im Ersten den Kopf heraus und dreht ihn neugierig hoch.
    »Vorsicht, Frau Jansson«, rief Linda. »Da kommt was auf Sie zu!«
    Frau Jansson zog den Kopf ein.
    Als die Matratze unten neben den Fahrrädern aufschlug, war das noch bis hinüber nach Liljeholmen zu hören, glaubte Linda.

22
    Als die Sonne am Mittag ganz hoch stand, entzog die Dunkelheit in Josefins Wohnung den Dingen ihre Farbe. Sofi beugte sich über das Geländer und blickte hinab auf die Straße. Wüsste sie es nicht bereits, hätte sie nicht sicher sagen können, ob man auf dem Bürgersteig auftreffen würde oder auf den Dächern der parkenden Autos. Wie auch immer, das Geländer reichte ihr eine Hand breit über den Bauchnabel. Man konnte sich hochstemmen und nach vorne kippen lassen. Die Tatorttechniker behaupteten jedoch, dass es so nicht gewesen sein konnte. Die Fingerabdrücke stimmten mit diesem Szenario nicht überein und auch nicht die Flugbahn. Sofi trat einen Schritt zurück und faltete die Skizze auf. Sie maß einen halben Meter in der Breite und gab Auskunft über alle Spuren, die bisher ausgewertet worden waren. Rücklings musste die Tote über das Geländer gestürzt sein, ihr Körper hatte sich im Fall um zweihundertsiebzig Grad gedreht und war mit dem Bauch voran aufgeschlagen. Das war nach Einschätzung von Per zu viel Drehung für einen Selbstmord. Wer in den Tod fallen will, hatte er erklärt, macht das nicht mit so viel Schwung. Wer noch so viel Impuls besaß, könnte ja auch getrost weiterleben. Wenn ein Selbstmörder mit dem Rücken voran aus dem Fenster kippt, kommt er mit dem Rücken auf, ohne dass sich sein Körper gedreht hat.
    Sofi wandte sich abrupt um. Kjell hatte am Tisch des mittleren Zimmers Platz genommen, um den Bericht noch einmal genau durchzugehen.
    »Können wir etwas ausprobieren?«
    Kjell sah auf und wartete darauf, dass Sofi präziser wurde.
    »Du stellst dich vor die Tür und klingelst. Wenn ich öffne, schlingst du deine Arme um meine Hüften, hebst mich und rennst mit mir zum Fenster.«
    Kjell nahm seine Lesebrille ab und legte sie auf die Tischplatte.
    »Ich habe in etwa dasselbe Gewicht wie die Tote.«
    Kjell erhob sich wortlos und ging zur Tür. Sofi hatte eine längere Diskussion erwartet, bevor er einwilligte.
    »Schließ das Fenster«, sagte er und zog die Tür hinter sich zu.
    Es klappte besser, als Sofi es sich ausgemalt hatte. Kjell packte sie jedoch nicht an den Hüften. Mit männlichem Ehrgeiz griff er sie unterhalb ihres Hinterns um die Schenkel, stemmte sie hoch,

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