Die Falsche Tote
Reichsankläger befugt, alle Daten einzusehen. Ich darf dazu auch Gewalt anwenden.«
»Sie will die Nutzerdaten nicht rausrücken«, klagte Theresa, als wäre die Bibliothekarin ihre gemeine kleine Schwester.
Die Bibliothekarin wirkte jetzt aufgelöst. Sie schien Theresa einfach nicht geglaubt zu haben. Ein Polizeiausweis sah auch nicht mehr echt aus, wenn Theresa ihn benutzte.
Aber gut war Theresa, dachte sie, während sie sich hinter die Bibliothekarin stellte, die mit zitternden Händen die F2-Taste drückte. Sofi hatte immer schon wissen wollen, was Bibliothekarinnen mit den Funktionstasten alles machen konnten. Bisher hatte sie leider immer auf der anderen Seite des Tresens gestanden und jedesmal gestaunt, dass mindestens fünf Funktionstasten nötig waren, um eine Gebührenquittung auszudrucken oder irgendetwas anderes mit dem Computer zu machen. Die Frau drückte noch F7, bestätigte mit Enter, öffnete mit F10 eine Leihliste und druckte sie mit F1 aus. Dann räumte sie mit der Escape-Taste alles wieder auf.
Die Liste war sensationell. Das Buch war in den letzten zwei Jahren ständig ausgeliehen gewesen, und zwar immer von einem anderen Benutzer. Zurzeit war es in Besitz einer Frau namens Nikolina Kovacevic.
»Ich brauche alle Adressen, bitte. Kannst du die Liste auch verlängern?«
»Nein. Der Erste auf der Liste ist auch der Erste, der das Buch ausgeliehen hat. Kurz davor ist eine Frau gestorben, die aus Deutschland kam. Sie hat uns ihre Bücher vermacht.«
Sofi nickte erfreut und überflog die Liste. Der Drucker sprang an und gab einen Stapel an Blättern aus. Die Bibliothekarin tat ihr leid, als Sofi sie auch noch darum bat, Listen auszudrucken, die die anderen ausgeliehenen Bücher aller auf der ersten Liste aufgeführten Personen enthielt. Sofi zeigte ihr Lindas Zeichnungen, die sie sorgfältig prüfte. Am Ende schüttelte sie den Kopf. Vielleicht die Mädchen, da war sie sich nicht sicher. Aber den Mann hatte sie noch nie gesehen. Theresa triumphierte, dass es der Frau so heimgezahlt wurde. Die blieb noch einige Minuten an ihrem Platz sitzen, nachdem Sofi und Theresa mit den Stapeln hinausgegangen waren. Ihre Finger mussten sie als Trenner benutzen, damit nicht alle Stapel durcheinandergerieten. Ohne die vier Ellenbogen hätten sie es gar nicht ins Auto geschafft.
»Glaubst du, sie macht Ärger?«, fragte Theresa.
Sofi schüttelte den Kopf.
Während der Drucker gelaufen war, hatte sie im Regal mit der Rechtsliteratur das Prozessrecht herausgezogen und der Bibliothekarin aus dem 23. Kapitel vorgelesen, um ihr zu beweisen, dass das Öffentlichkeitsprinzip bei einer polizeilichen Untersuchung nicht galt.
Die beiden versuchten, die Stapel zu sichten.
»Gibt es jemanden in Skarpnäck, der nicht im Horisontvägen wohnt?«, wunderte sich Sofi.
Theresa lachte. »Der ist gleich da vorne und scheint nie zu enden. Ich bin vorhin entlanggelaufen.«
»Am besten versuchen wir es gleich hier und jetzt.«
Sofi baute die Rückbank zu einem Archiv um und rief Kjell an.
54
»Sofi, du musst allein klarkommen. Hier ist etwas passiert. Der Express hat unsere Geschichte auf Seite 10 und 11. Ja, zum Teil. Wir haben jetzt Besprechung, dann rufe ich zurück.«
Kjell legte auf und eilte ins Besprechungszimmer zurück. Sten Haglund und Henning standen am Tisch und hatten ihre Köpfe über die Abendausgabe gebeugt, die vor Kurzem erschienen war. »Wer ist die Tote aus der Sigtunagatan?«, lautete die Überschrift. Ein körniges, aus großer Ferne aufgenommenes Foto war über die ganze Seite gezogen. Es zeigte die Tote Hesperia in ihrem Blut auf der Straße liegend.
»Irgendein Nachbar mit einer Digitalkamera«, vermutete Henning. »Wir wussten ja, dass das passieren kann. Zum Glück scheinen sie nichts zu wissen. Dass Rosenfeldts Tochter dort wohnt, ist ihnen komplett entgangen.«
Es gab weitere Fotos. Der Reporter Lars Silberstein lachte auf einem Foto am Ende des Artikels. Mit seinem roten Bart sah er aus wie ein irischer Kneipenwirt.
»Wisst ihr eigentlich, warum die Iren so viel trinken?«, fragte Henning.
»Wegen des Wetters«, riet Sten.
Henning schüttelte den Kopf. »Weil die Frauen dort so hässlich sind. Hat mir mal ein Ire verraten.«
Das war vielleicht der Grund, warum Silberstein Sofi Johansson für würdig befunden hatte, ihr ein riesiges Porträt auf Seite elf zu widmen. Kjell war nur im Halbschatten zu sehen. Daneben stellte Silberstein in der Überschrift die Frage, was die schöne
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