Die Falsche Tote
Hand dafür ins Feuer zu legen, dass Person 1 vor etwa drei Wochen im Geschäft gewesen war.
Person 1 war die tote Doppelgängerin.
»Was hat sie gewollt?«, fragte Sofi.
»Nicht dieses Buch, das du uns gegeben hast. Sie streiten hier gerade. Die eine glaubt an einen Roman, die andere an Lyrik.«
»Wieso erinnern die sich denn an sie?«
»Sie soll sich eigenartig verhalten haben. Was sie mir hier erzählen und vormachen, klingt, als wäre das Mädchen high gewesen. Moment bitte.« Sofi hörte Polizeianwärter Anderberg mit jemandem sprechen. »Hallo? Der Roman heißt ›Wohin man sich sehnt‹. Ist erst vor ein paar Jahren erschienen, aber sie hat ihn nirgendwo bekommen. Das klingt ein wenig merkwürdig. In dem Buch kommen Gedichte von Ferlin und Södergran vor, die wollte sie auch. Und Setterlind.«
»Bo Setterlind?«
»Ja, also so gut wie alle Nationaldichter.«
Sofi wog ab, wofür sie sich jetzt entscheiden sollte. Das klang alles so vage. Setterlind wurde bestimmt so oft verkauft, wie die Götgatan lang war.
»Okay«, sagte sie. »Ich komme.«
In Windeseile instruierte sie ihre Kollegin, dass sie vorn in der Sturegallerian CDs kaufen und die Daten darauf speichern solle. Im Auto überlegte sie, ob sie mit Blaulicht fahren durfte. Bei der Schutzpolizei war das immer ganz eindeutig gewesen, bei der Reichsmord war es bisher so gut wie nie vorgekommen und anscheinend eine Frage des Ermessens. Sie fuhr auf der Birger Jarlsgatan nach Süden und rief Kjell an.
»Kannst du in der Pathologie anrufen und fragen, ob es bei Hesperia irgendwelche Anzeichen für Drogen gibt?«
Kjell bestätigte, das er das gleich machen würde. Er fragte nicht, wo sie war, was sie tat und warum sie das wissen wollte. Dabei ging ihr auf, dass sich ihre Rollen soeben verkehrten und er sich ihre Anweisungen notierte. Er bremste sie nie aus wie ihr alter Chef in Norrmalm, kam ihr zu Bewusstsein, während sie am Stureplan einem Anzugträger die Vorfahrt gewährte, obwohl sie grün und er rot hatte.
»Und dann brauche ich eine Information über ein Buch. Es heißt ›Wie man sich sehnt‹, oder nein, ›Wohin man sich sehnt‹!«
Wie man sich sehnt, so hieß ja ihr Tagebuch!
»Ja, ja, ich melde mich dann.«
Sie hatte sich schon verabschiedet, als ihr einfiel, danach zu fragen, wann sie das Blaulicht verwenden durfte.
»Wenn Minuten eine Rolle spielen.«
Sofi schmiss das Telefon auf den Beifahrersitz und war ratlos. Sie wusste nicht, ob Minuten eine Rolle spielten.
Sie erreichte Södermalm in kurzer Zeit, obwohl sie zivil fuhr. In der Hornsgatan musste sie einen Kilometer lang am rechten Rand entlangschleichen, weil sie das Geschäft nicht verpassen wollte. Das brachte ihr aggressive Huperei ein. Sofi parkte wild auf dem Vorplatz. Neben dem Buchladen waren alle Tische vor dem Café besetzt. Als sie auf das Geschäft zuging, spürte sie die entsetzten Blicke der Leute, die wohl glaubten, dass sie immer so parkte, wenn sie ein Buch wollte.
Emil Anderberg gegenüberzustehen, widerlegte den Eindruck, den sie von ihm am Telefon bekommen hatte. Da hatte er hochnäsig geklungen. Doch er war nur vorsichtig und ein wenig kristallhäutig, wie man solche Leute in ihrer Gegend nannte. In der kurzen Zeit hatte er sich wirklich Mühe gegeben, die Situation zu erfassen. Die beiden Verkäuferinnen waren nur ein wenig älter als Linda, dabei hatte sich Sofi zwei alte Biester vorgestellt, die schon seit Jahren hier nebeneinander hinter der Kasse standen und sich viermal am Tag zankten und einander die Freundschaft aufkündigten.
»Da hatten wir Glück«, sagte Anderberg. »Am Sechzehnten wären sie wieder weg gewesen. Das sind Yrsa und Liisa.«
Yrsa und Liisa waren ein hippes Gespann aus Vasa in Finnland, das während der Sommerferien hier die Vertretung übernahm. Sie standen mit bauchfreiem T-Shirt an der Eingangstür und rauchten. Beide waren schlank bis auf die Knochen.
»Ihr glaubt also, dieses Mädchen hier zu kennen?«, fragte Sofi ungläubig. Das wäre ja ein Volltreffer.
Liisa antwortete mit einem finnischen Nicken, das für Nichtfinnen kaum zu erkennen war. Erst wollte Sofi nachfragen, wie sicher sich die beiden waren, aber sie erweckten nicht den Eindruck, zu Übertreibungen zu neigen.
»Die war da«, bestätigte Yrsa.
Und damit war klar, dass sie da gewesen war.
»Yrsa tendiert eher zu Amphetaminen«, sagte Emil. »Liisa glaubt an etwas Seelisches.«
»Sie wollte dieses Buch, aber das hatten wir nicht«, erklärte Liisa. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher