Die Falsche Tote
reichte, um Menschen ein Leben lang voneinander abzuschirmen.
Während Sofi auf Meldungen von ihrer Suchstaffel wartete, durchstöberte sie die schwedischen Buchkataloge, fand den Titel aber weder bei den Bibliotheken noch bei den Antiquariaten. Sie trug Kjell eine Auswahl aus den betrüblichen Rückmeldungen vor, die sie bislang von ihren Polizeianwärtern erhalten hatte. »Der Tote muss sich gestern aus dem Kühlfach in Solna befreit haben, um bei Mimer in Norrmalm einzukaufen. Jedenfalls sind sie dort ganz sicher, dass er gestern da war.«
»Wichtig bei so einer Suche ist, dass man bis zum Ende dranbleibt.«
»Wird der Justizkanzler etwas gegen Berne Ahnlund unternehmen?«
»Ich habe Amelie mein Wort gegeben. Mit Sten habe ich mich darauf geeinigt, dass wir ihn überwachen. Amelie ist ja nicht gerade ein Prostitutionsopfer, aber wenn Ahnlund auch auf illegale Bordelle steht, machen wir ihn fertig.«
Kjell sah Sofi an, dass sie sich noch nicht an die Reichskriminalpolizei gewöhnt hatte, wo Recht oft eine Frage des Geschäfts war.
»Und was ist mit dem Typ, der Linda ein blaues Auge geschlagen hat?«
Kjell räusperte sich und schlug dann vor, dass Sofi nie mehr darauf zu sprechen kam. Er hatte nämlich schon die ganze Nacht davon geträumt, wie er den Mann ausradierte und dazu alle, die mit ihm verwandt waren oder auch nur ein Bier mit ihm getrunken hatten. Beim Schwimmen hatte er sich vorgenommen, alles zu verdrängen und die Sitte ihre Arbeit machen zu lassen. Dort hatte man die Anruferliste von Amelies Telefon und würde früher oder später den Richtigen finden. Wenn er die Wut in seinem Bauch weiter kochen ließe, wäre er zu nichts mehr imstande.
Das Telefon klingelte. Sofi riss den Hörer an ihr Ohr und machte sich bald Notizen. Noch vor dem Auflegen sprang sie auf.
»Rönnells in der Birger Jarlsgatan. Die haben das Buch im Katalog.«
Kjell hob den Daumen und wandte sich seiner Schreibtischplatte zu.
53
Es war die junge Rothaarige, die außerhalb der Sommerzeit in der Mariawache arbeitete. Sie hatte an diesem Tag schon drei Falschmeldungen durchgegeben und sich auf Sofis Liste ein Sternchen eingehandelt, das für Übereifer stand. Das Antiquariat erstreckte sich über drei Etagen. Bei dem schönen Wetter war kein Mensch zu sehen. Sofi umrundete einige Ecken, bis sie die Kollegin zusammen mit drei Angestellten vor einem Regal diskutieren sah.
»Sie haben es im Katalog, wissen aber nicht, ob es schon verkauft ist. Jetzt suchen wir die Regale ab.«
Die Angestellten sahen ratlos aus.
»Wir haben fast hunderttausend Bücher«, erklärte die ältere Dame, die anscheinend die Vorgesetzte war. »Es gibt ein paar Stellen, wo es eigentlich stehen müsste, aber wir finden es nicht. Ausländische Bücher stehen unten im Keller.«
»Und wenn es geklaut wurde?«, fragte die Polizeianwärterin Klemming. »Das könnte doch auch sein!«
Die Vorgesetzte seufzte, was Sofi als Bestätigung deutete. Sie seufzte ebenfalls, denn sie hatte auf ein kleineres Geschäft gehofft, wo man sich vielleicht an den Käufer erinnern konnte. Rönnells war die schlechteste aller Varianten. Auch wenn sie bis zum Abend suchten, konnten sie nie ganz sicher sein, ob das Buch nicht irgendwo stand. Auch wenn man alles absuchte, dann war bestenfalls gewiss, dass jemand, den Sofi nie ermitteln würde, das Buch mitgenommen hatte.
»Gibt es Kameras?«
Die drei Angestellten nickten.
»Ihr seid euch sicher, dass es in diesem Gang gestanden hat?«, fragte Sofi.
Es wurde weitergenickt. »Hier bei den deutschen Büchern.«
Rönnells hatte 44 Stunden in der Woche geöffnet. Wenn man das Band kopierte und vom Tag des Mordes an rückwärts laufen ließe, wie schnell würden dann die dreißig Anwärter etwas entdecken können? Das fragte sich Sofi. Schlimmer hätte es kaum kommen können. Sie ließ sich den Computer zeigen.
Die Auflösung der Filme war so gering, dass das Format etwa ihrer Handfläche entsprach. Immerhin war viel aus dem Zeitraum abgespeichert, nach dem sie suchten. Das Aufnahmeprogramm überschrieb die ältesten Dateien erst, wenn der Speicherplatz verbraucht war.
Während Sofi am Dateiverzeichnis abzuschätzen versuchte, wie viel Arbeit anfallen würde, klingelte ihr Telefon schon wieder. Die Stimme des jungen Mannes klang sehr selbstbewusst. Er nannte seinen Namen. Im Bokmagasinet in der Hornsgatan führte man zwar das Buch nicht, weil es dort fast nur schwedische Bücher gab, dafür waren die Angestellten bereit, ihre
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