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Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Titel: Die Falschmünzer vom Mäuseweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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den Speisesaal vor Beendigung der gemeinsamen
Mahlzeit zu verlassen.
    Er sauste mit dem Tablett in
die Küche, von dort durch einen Nebenausgang ins Freie, dann zum Fahrradkeller.
Seinen Anorak hatte er dort in weiser Voraussicht hinterlegt.
    Während seine Mitschüler noch
mit unterschiedlicher Begeisterung der roten Grütze huldigten, preschte er in
dem schulbekannten TT ( Tarzantempo) zur Stadt.
    Bei Gaby angekommen, wollte er
gerade läuten; aber sie hatte am Fenster gewartet und rief runter, sie käme
sofort.
    »Sofort« — bedeutet bei vielen
Mädchen: innerhalb der nächsten Viertelstunde. Aber solche Verzögerungen kamen
bei Gaby nur selten vor.
    Zwar hatte sie sich gerade erst
die Haare gewaschen und war mit dem Föhnen noch nicht ganz fertig, trotzdem
tauchte sie auf, bevor Tarzan neben seinem Rennrad festfror.
    Wie immer sah sie entzückend
aus — in ihrer neuen, marineblauen Kamelhaarjacke und der weißen Strickmütze
mit dazu passendem Schal.
    Tarzan sagte: »Sehr schick! Mit
dir kann man sich sehen lassen.«
    »Da bin ich aber froh.«
    Das klang schnippisch.
    »Ist doch ein Kompliment.«
    »Und wäre ich nicht schick,
würdest du dich nicht mit mir sehen lassen, wie?«
    »Ach so! Aber, Pfote. So war das
doch nicht gemeint. So was sagt man eben. Zu verstehen ist das doch nur als
Superlativ (höchste Steigerungsform des Eigenschaftswortes). Mit dir
würde ich mich immer und überall sehen lassen, sogar wenn du«, er lachte, »gar
nichts anhättest.«
    Sie wurde rot — und bedachte
Tarzan mit einem Blick durch ihre seidigen Wimpern, den er nicht deuten konnte.
    Dann meinte sie: »Also, zur
Schule käme ich in dem Kostüm bestimmt nicht.«
    Er beschloss, das Thema nicht
auszudehnen, denn eine leichte Verlegenheit ließ ihn bereits an seinem Rennrad
rumfummeln, obwohl dort alles in Ordnung war.
    »Erst mal zur Bank!«, sagte er.
    Sie radelten nach Gelfing, zur
Brückenkopfstraße. Wo es möglich war, fuhren sie nebeneinander — auf belebten
Straßen aber immer in Gänsemarsch-Formation.
    Einmal hielten sie an, am
Eingang des Kronen-Parkes, wo ein stichelhaariger Jagdhund umherlief und
offensichtlich sein Herrchen suchte.
    »Um Himmels willen!«, rief
Gaby. »Der wird doch nicht ausgesetzt sein.«
    Sie lockte ihn an. Er kam auch tatsächlich,
ließ sich streicheln und gab Gaby die Pfote — einmal stehend auf drei Beinen
und einmal, wobei er auf den Hinterläufen saß.

    »Ausgesetzt ist er nicht«,
meinte Gaby erleichtert. »Seine Marke hängt am Halsband. Auf der Rückseite ist
die Adresse eingeritzt. Er gehört einem Dr. Wagner am Ginsterweg. Aber wenn er
sich verlaufen hat...«
    In diesem Moment ertönte ein
Pfiff.
    Hasso — so hieß er, wie auf der
Blechmarke vermerkt war — bewegte seine Hängeohren voller Aufmerksamkeit.
    Eine junge Frau im Pelzmantel
kam einen Parkweg entlang.
    »Hasso! Wo bist du denn
wieder?«
    Der Rüde lief ihr
schwanzwedelnd entgegen.
    »Er hat Sie gesucht«, rief Gaby.
    »Dieser Tolpatsch!« Lachend
leinte sie ihn an. »Er hat mit einem Cocker gespielt und mich offensichtlich
aus der Nase verloren. Na ja, er ist noch kein Jahr alt. Und wo’s lang geht,
lernt diese Rasse erst spät.«
    »Ein sehr schönes Tier«, lobte
Gaby.
    Die Frau nickte freundlich und
ging in den Park zurück. Aber Hasso sah sich noch mehrmals nach Gaby um.
    Sie muss was Besonderes an sich
haben, dachte Tarzan. Dass ihr die Jungs zu Füßen liegen, ist bei einem sooo
hübschen und liebreizenden Mädchen mehr oder weniger normal. Aber dass ihr die
bissigsten Vierbeiner, ob Rüde oder Hündin, aus der Hand fressen, erklärt sich
nur mit ihrer persönlichen Ausstrahlung.
    Sie erreichten die
Brückenkopfstraße.
    Die Wert-Bankfiliale war in
einem freistehenden Gebäude untergebracht. Auf einer Seite führte eine schmale
Einbahnstraße vorbei, auf der anderen Seite lag der Kundenparkplatz. In der
Nähe befanden sich Boutiquen, ein Café und ein Reisebüro.
    »Wie viel willst du denn
abheben?«, fragte Gaby.
    »Mindestens 300 Mark.«
    Jede davon war selbst verdient.
    Sie stellten ihre Räder ab und
betraten die Bank.
    Der Schalterraum war nicht
groß, aber nobel eingerichtet. Ohne den kugelsicheren Glaskasten des Kassierers
und die drei Schreibtische im Hintergrund hätte man sich wie in einem englischen
Kaminzimmer gefühlt.
    Wer als Kunde warten musste,
konnte in schweren Ledersesseln Platz nehmen. Außerdem wurden junge, noch
unbekannte Künstler von Direktor Hehne gefördert, indem er ihnen

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