Die Falschmünzer vom Mäuseweg
Schokoladenstückchen in den
Mund fallen.
Es war gemütlich warm im
ADLERNEST, obwohl ein Fenster offen stand. Zwar konnte Klößchen spielend auf
frische Luft verzichten und tagelang im dicksten Mief leben; aber Tarzan
lüftete gern.
»Tja«, lachte Klößchen auf
Tarzans Frage. »Gut, dass ich einen heißen Draht zur Hauptköchin habe. Sie hat
sich was Besonderes ausgedacht. Nach den üblichen belegten Broten gibt es einen
so genannten weihnachtlichen Dessert-Teller mit allerhand Leckerem.«
»Hm. Naja.«
So was riss Tarzan nicht vom
Stuhl. Ihn bewegten andere Gedanken. Zum Beispiel die Frage: Wieso waren sie
heute Nachmittag ausgerechnet bei der Wert-Bankfiliale auf diesen Marker
getroffen?
»...und marzipangefüllte
Datteln«, vollendete Klößchen eine kalorienreiche Aufzählung.
Aber Tarzan hatte nicht
hingehört.
Er entschied sich — wegen des
Wetterberichts — für ein etwas wärmeres Unterhemd und legte es aufs Bett.
Das Klingelzeichen rief zum
Abendessen und Klößchen war einer der Ersten im Speisesaal.
Während des Essens blieb Tarzan
in Gedanken versunken. Die Geräuschkulisse der vielköpfigen Schülermenge störte
ihn nicht. Dann — als die Dessert-Teller gebracht wurden — lief ein
begeistertes »Ahhh!« durch die Reihen.
Ein Spaßvogel rief: »Ein Hoch
auf die Köchin!« und mindestens die Hälfte der Meute stimmte darin ein.
»Ein Gedicht!«, meinte
Klößchen. Er stieß seinen Freund an. »Du isst ja gar nicht. Schmeckt’s nicht?«
»Doch, hervorragend. Aber ich
habe noch Judotraining.«
»Du isst nicht auf?«
Tarzan grinste. »Die Hälfte
bleibt übrig. Zum Henker, wenn ich nur wüsste, wem ich das anbieten könnte. Ist
ja zu schade zum Wegwerfen.«
Klößchen verdrehte die Augen.
»Schon der Gedanke entsetzt mich. Also, wenn du sehr bittest — ehe ich mich
schlagen lasse, würde ich’s noch essen.«
»Das kann ich nicht von dir
erwarten, Willi. Das wäre ein zu großes Opfer.«
»Nein, nein, durchaus nicht.«
Tarzan schob ihm den Teller
hin. »Wenn ich nur wüsste, ob das ein Zufall war!«
»Was meinst du?«
»Ich denke an Marker.«
Klößchen machte ein
angewidertes Gesicht. »Bitte, nicht beim Essen! Da kann sogar mir der Appetit
vergehen.«
Anschließend gingen sie ins
ADLERNEST zurück. Klößchen fiel wie ein Mehlsack aufs Bett und blätterte in
einer Zeitschrift.
Tarzan zog seinen Judoanzug an
und lief in die Turnhalle. Eine volle Stunde stand er unter Dampf. Mit dem
Trainer, einem ausgebildeten Judolehrer, übte er schwierigste Techniken. Mit
einem wesentlich älteren Schüler ging er auf die Matte. Konditionsübungen
bildeten den Abschluss.
Er duschte, putzte sich die
Zähne und lag vor dem Klingelzeichen im Bett.
Dr. Plümmer, der immer noch EvD
war, sah zur Tür herein, wünschte eine Gute Nacht und löschte das Licht.
Klößchen gähnte und balgte noch
eine Weile mit dem Kopfkissen herum.
»Je länger ich darüber
nachdenke, Willi: Es war kein Zufall!«
»Was?«
»Dass Marker bei der Wert-Bank
rumschlich.«
»Du meinst, der hat da was
vor?«
»Man kann es nicht
ausschließen.«
»Bankraub?«
»Das wohl weniger. Aber
vielleicht sucht er eine kleine Filiale, wo er sein Falschgeld unauffällig
einwechseln kann.«
»Das ist allerdings ne Idee.«
Klößchen kratzte sich am Kopf. Das klang, als scheuere ein Igel sein
Stachelkleid an einer Hauswand. »Hast du’s dem Kommissar gesagt?«
»Nein. Bin ja eben erst darauf
gekommen. Aber ich meine: Vor allem müsste der nette Direktor Hehne gewarnt
werden.«
»Das täte ich auch.«
Tarzan drehte sich auf die
linke Seite, dann auf die rechte. Er sah zum Fenster. Im Hof war noch Licht.
Dicke Flocken schwebten vom Himmel. Eine herrliche, obschon mondlose
Winternacht.
Ich kann, überlegte Tarzan,
Direktor Hehne morgen anrufen. Aber was ist, wenn Marker schon um 8 Uhr zur
Bank geht und einige seiner falschen Hunderter gegen 10-DM-Scheine einwechselt?
»Was ist denn los?«, fragte
Klößchen, als Tarzan aufstand.
»Ich rufe Hehne an.«
»Jetzt?«
»Es ist gerade halb elf. Das
ist doch für einen Erwachsenen nicht spät.«
Er hatte Münzgeld gefunden,
schlüpfte in seine Pantoffeln und zog den Bademantel an.
»Na ja«, meinte Klößchen. »Ein
bisschen ungewöhnlich, aber schließlich tust du ihm einen Gefallen.«
»Das finde ich auch.«
In den Fluren des zweiten
Stocks brannte die Nachtbeleuchtung. Das Licht bewahrte davor, dass man mit dem
Kopf gegen die Wand stieß — doch mehr war nicht zu
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