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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Frontenac.
    Johann glich einem Geisteskranken, als er aus dem geschlossenen Hause geflohen war. Das mit so rauher Hand zerrissene Geheimniß seines Lebens, die schrecklichen Worte Rip’s, welche Clary gehört haben mußte, der Umstand, daß Fräulein de Vaudreuil jetzt aufgeklärt worden war, daß ihr Vater und sie bei der Gattin und bei dem Sohne jenes Simon Morgaz Zuflucht gefunden – daß Herr de Vaudreuil dasselbe sehr bald erfahren mußte, wenn er es in seinem Zimmer nicht überhaupt schon gehört hatte – Alles das trieb ihn rein zur Verzweiflung. In diesem Hause hätte er auch keinen Augenblick mehr verweilen können. Ohne sich Sorge darum zu machen, was Herr und Fräulein de Vaudreuil widerfahren könne, ohne sich zu fragen, ob der schmachbedeckte Name seiner Mutter hinreichen würde, sie gegen jede weitere Verfolgung zu sichern, ohne sich vorzustellen, daß Bridget gewiß nicht mehr werde in dem Orte wohnen wollen, wo ihr Herkommen bekannt werden mußte, und von wo man sie ohne Zweifel vertreiben würde, war er sinnlos durch die dichten Wälder geeilt, die Nacht hindurch gelaufen, denn nirgendwo glaubte er sich weit genug entfernt von Denen, für die er von jetzt ab nur ein Gegenstand der Verachtung und des Schreckens sein konnte.
    Und doch war sein Werk noch nicht vollendet! Seine Pflicht blieb es zu kämpfen, so lange er lebte! Er mußte sich tödten lassen, ehe sein wahrer Name bekannt werden konnte! War er erst todt, gefallen für das Vaterland, dann hatte er vielleicht wieder ein Anrecht, wenn auch nicht auf die Achtung, so doch auf das Mitleid seiner Nebenmenschen!
    Allmählich begann wieder etwas Ruhe einzuziehen in das tieferregte Herz. Mit dem kalten Blute kehrte ihm auch die Thatkraft wieder, welche keine Anwandlung von Schwäche wieder lahmlegen sollte.
    Auf seiner Flucht strebte er eiligst der Grenze zu, um die Patrioten wieder zu finden und einen neuen aufständischen Feldzug vorzubereiten.
    Um sechs Uhr Morgens befand sich Johann schon vier Meilen von St. Charles, nahe dem rechten Ufer des St. Lorenzo und an der Grenze der Grafschaft Montreal.
    Diesen von Reiterabtheilungen durchzogenen und von Polizeiagenten geradezu wimmelnden Landestheil mußte er natürlich möglichst bald hinter dem Rücken haben. Er hätte dazu den schräg durch die Grafschaft Laprairie führenden Weg einschlagen müssen, doch dieser wurde nicht weniger überwacht als der von Montreal. Am rathsamsten erschien es, dem Ufer des St. Lorenzo zu folgen, längs desselben bis zum Ontario-See vorzudringen und dann durch das Land im Osten von diesem bis zu den ersten amerikanischen Dörfern zu gelangen.
    Johann entschied sich für diesen Plan, der immerhin viel Vorsicht erforderte, da er Schwierigkeiten gerade noch genug bot. Ihm kam es jedoch darauf an, selbst auf die Gefahr kürzerer oder längerer Verzögerungen hin, nur sein Ziel zu erreichen, und er durfte kein Gewicht darauf legen, seinen Fluchtplan je nach den Umständen ändern zu müssen.
    In den Ufergrafschaften des Stromes standen zahlreiche Freiwillige auf der Lauer, die Polizei setzte unaufhörlich ihre strengen Haussuchungen noch fort, um die Hauptanführer der Aufständischen zu entdecken – mit diesen natürlich auch Johann ohne Namen, der in zahllosen Maueranschlägen die Summe lesen konnte, welche die Regierung für seinen Kopf zu zahlen anbot.
    Unter solchen Verhältnissen sah sich der Flüchtling genöthigt, nur des Nachts seinen Weg fortzusetzen. Tagsüber verbarg er sich in zerfallenen Hütten oder unter fast undurchdringlichem Gebüsch und hatte daneben die größte Mühe, sich nur einige Nahrung zu verschaffen.
    Unfehlbar wäre Johann Hungers gestorben, ohne die Hilfe mildherziger Landleute, welche aus Besorgniß, sich selbst bloßzustellen, ihn gern nicht fragten, wer er sei und woher er komme.
    So hatte er unvermeidliche Verzögerungen, dafür hoffte Johann jenseits der Grafschaft Laprairie, wenn er sonst die Provinz erreicht hatte, die verlorene Zeit wieder einzuholen.
    Während des 4., 5., 6., 7. und 8. December konnte Johann kaum zwanzig Lieues hinter sich bringen. In fünf Tagen – richtiger in fünf Nächten – hatte er sich fast noch gar nicht vom Ufer des St. Lorenzo entfernt und befand sich da in den mittleren Theilen der Grafschaft Beauharnais. Das Schwerste war indeß überwunden, denn die canadischen Kirchspiele des Westens und des Südens erwiesen sich in dieser Entfernung von Montreal weniger überwacht. Dennoch mußte Johann mehr und

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