Die Familie ohne Namen
mehr erkennen, daß die Gefahren, was seine eigene Person betraf, nur noch gewachsen waren. – Starke Rotten von Polizisten folgten seinen Spuren an der Grenze der Grafschaft Beauharnais. Wiederholt gelang es seiner Kaltblütigkeit, dieselben auf falsche Fährten zu führen.
In der Nacht vom 8. zum 9. December sah er sich aber von einem Dutzend Männern eingeschlossen, welche den Befehl hatten, ihn todt oder lebend festzunehmen. Nachdem er sich mit übermenschlichem Muthe vertheidigt und verschiedene Polizeiagenten schwer verwundet, wurde er doch schließlich gefangen genommen.
Heute war es nicht Rip, sondern der Polizeichef Comeau, der sich Johanns ohne Namen bemächtigt hatte. Diese so lohnende und aufsehenerregende Affaire entging dem Leiter des Hauses Rip & Cie. – Das waren sechstausend Piaster, welche auf der Einnahmeseite des Hauptbuches der Firma fehlen mußten.
Die Nachricht von der Verhaftung Johanns ohne Namen hatte sich sofort in der ganzen Provinz verbreitet. Den anglo-canadischen Behörden lag ja selbst so viel daran, sie überall bekannt werden zu lassen. So gelangte dieselbe am nächsten Tage schon bis nach den Kirchspielen der Grafschaft Laprairie und erreichte im Laufe des 9. December auch das Dorf Walhatta.
Am nördlichen Ufer des Ontario-Sees, wenige Lieues von Kingston, erhebt sich das Fort Frontenac. Es beherrscht das linke Ufer des St. Lorenzo, durch den die Gewässer des Sees abfließen und dessen Lauf in dieser Gegend Canada und die Vereinigten Staaten von einander scheidet.
Dieses Fort wurde jenerzeit von dem Major Sinclair befehligt, der vier Officiere und etwa hundert Mann vom 20. Regiment unter sich hatte. Durch seine Lage vervollständigte es das Vertheidigungssystem der Forts Oswégo, Ontario und Levis, welche zum Schutze jener entfernten und ehedem öfter durch Einfälle von Indianern bedrohten Gebiete errichtet worden waren.
Nach dem genannten Fort Frontenac war Johann ohne Namen geschafft worden. Der General-Gouverneur hatte, als er die Nachricht von jener hochwichtigen Gefangennahme durch die Mannschaften Comeau’s erhielt, nicht gewollt, daß der junge Patriot nach Montreal oder nach einer anderen bedeutenden Stadt eingeliefert würde, wo seine Anwesenheit möglicher Weise einen neuen Volksaufstand hervorgerufen hätte. Aus diesem Grunde erging von Quebec der Befehl, den Gefangenen nach dem Fort Frontenac zu transportiren, ihn dort einzukerkern und aburtheilen zu lassen – das war aber gleichbedeutend mit der Verurtheilung zum Tode.
Bei dem gewöhnlich höchst summarischen Gerichtsverfahren hätte Johann schon binnen vierundzwanzig Stunden hingerichtet sein müssen. Nichtsdestoweniger erlitt seine Vorführung vor das Kreisgericht unter der Leitung des Majors Sinclair einigen Aufschub.
Das kam nämlich daher:
Daß der Gefangene der fast sagenhafte Johann ohne Namen, der unermüdliche Agitator und früher die Seele der Aufstände von 1832, 1835 und 1837 sei, darüber herrschte nicht der geringste Zweifel. Doch welcher Mann verbarg sich unter diesem Pseudonym, unter diesem Kriegsnamen – das wollte die Regierung gern erfahren, da es Handhaben geboten hätte, weiter in die Vergangenheit zurückzugreifen, vielleicht wichtige Aufschlüsse zu erhalten und gewisse geheime Umtriebe aufzudecken, da in die Sache der Unabhängigkeit noch verschiedene unbekannte Fäden hineinspielen mochten.
Es schien also von Wichtigkeit, wenn nicht die Identität, so doch die Herkunft der Persönlichkeit festzustellen, deren Namen noch nicht bekannt war, und den zu verheimlichen jener besonders schwerwiegende Gründe haben mußte. Der Kriegsrath wartete also mit der Abgabe eines Urtheils, und man drang bezüglich dieser Frage so viel wie möglich auf Johann ein. Dieser ergab sich nicht; er verweigerte es sogar hartnäckig, auf irgend eine Frage nur zu antworten, die ihm bezüglich seiner Familie gestellt wurde. Man mußte hierauf also verzichten, und am 10. December wurde der Proscribirte seinen Richtern vorgeführt.
Die Verhandlung verlief ohne besondere Verzögerung. Johann räumte unumwunden den Antheil ein, den er an den ersten wie an den letzten Aufstandsversuchen gehabt. Laut und mit stolzer Stimme forderte er von England die Canada zustehenden Rechte. Er erhob sich kühn gegenüber seinen Unterdrückern, er sprach, als hätten seine Worte die Umwallung des Forts übertönen und einen Widerhall im ganzen Lande finden können.
Er verbarg sich im Hintergrunde von verlassenem altem
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