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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Chipogan.
    Der Pachthof von Chipogan, gegen sieben Lieues von dem Flecken Laprairie in der gleichnamigen Grafschaft gelegen, bedeckte eine mäßige Bodenerhebung am rechten Ufer eines kleinen Wasserlaufes, der nach dem St. Lorenzo abfloß. Hier besaß Herr de Vaudreuil ein recht einträgliches, zwischen vierund fünfhundert Acker großes Landgut, welches der Farmer Thomas Harcher bewirthschaftete.
    Vor dem Pachthofe, auf der Seite nach dem Flüßchen zu, dehnten sich weite Ländereien und ein Damenbrett von grünenden Wiesen von helldurchsichtigen Hecken umgeben aus, wie solche im Vereinigten Königreiche unter dem Namen »Fences« bekannt sind. Es war der wirkliche Teppich regelmäßiger sächsischer oder amerikanischer Zeichnung in aller geometrischen Strenge. Große Vierecke und darin wieder kleinere Vierecke mit Umzäunungen umrahmten schöne Culturen, welche Dank dem nährkräftigen, schwärzlichen Humus des Bodens vorzüglich gediehen. Dieser Humus, dessen Dicke drei bis vier Fuß beträgt, ruht gewöhnlich auf einer Thonschicht, und fast in derselben Weise ist in Canada der ganze Erdboden bis zu den Abhängen der Laurentiden zusammengesetzt.

    Zwischen den mit peinlichster Sorgfalt cultivirten Vierecken wuchsen verschiedene Sorten Getreide, wie sie der Landmann auch meist in Mitteleuropa anbaut, nämlich Roggen, Mais, Reis, Hanf, Hopfen, Tabak u.s.w. Hier wucherte auch wilder Reis, der fälschlicher Weise »wilder Hafer« genannt wird. Dieser kam vorzüglich längs der immer nassen Ränder des kleinen Wasserlaufes vor und lieferte übrigens gekocht eine ganz ausgezeichnete Suppe.
    Mit saftigem Grase bestandene Weideplätze dehnten sich hinter dem Pachthofe aus bis zum Saume der hohen Gehölze, welche eine leichte Bodenwelle bedeckten und sich über Gesichtsweite hinaus verloren. Diese Weiden reichten so bequem aus zur Ernährung der Hausthiere, welche die Farm zu Chipogan aufzog, daß Thomas Harcher noch eine weit größere Menge Rinder hätte gegen geringes Entgelt aufnehmen können. Hier tummelten sich Ochsen, Kühe, Stiere, Schafe und Schweine, ohne die kräftigen Pferde canadischer Race zu zählen, welche von den amerikanischen Züchtern so gesucht sind.
    In der Nähe der Farm waren die Wälder von nicht geringer Bedeutung. Sie bedeckten früher das ganze Grenzgebiet bis zum St. Lorenzo von seiner Mündung an bis zu der Gegend der Seen. Seit langen Jahren schon hatte die Hand des Menschen hier aber so manche Lichtung geschaffen. Und wie viele stolze Bäume, deren Gipfel sich zuweilen bis zu hundertfünfzig Fuß in die Lüfte erhebt, fallen noch immer unter den Schlägen der Tausende von Aexten und stören die Ruhe jener endlosen Wälder, in denen es von Meisen, Spechten, Amseln, Nachtigallen, Lerchen, Paradiesvögeln mit glänzendem Gefieder wimmelt und wo auch liebliche Canarienvögel, welche leider in den canadischen Provinzen stumm sind, in hellen Schaaren umherflattern. Die »Lumbermen«, die Holzfäller, betreiben hier ein einträgliches, aber bedauerliches Geschäft, indem sie Eichen, Ahornbäume, Eschen, Nußbäume, Erlen, Birken, Ulmen, Kastanienbäume, Weißbuchen, Fichten und Weiden umlegen, welche zersägt oder viereckig behauen die Reihen von Käfigen bilden, die den Lauf des Stromes hinabgleiten. Wenn gegen Ende des 18. Jahrhunderts einer der bekanntesten Helden Cooper’s, Nathaniel Bumpoo, Falkenauge, Lange Flinte oder Lederstrumpf genannt, schon über diese Niedermetzelung von Bäumen klagte, würde er nicht heutzutage über diese unerbittlichen Waldverwüster dasselbe sagen, was man über die Landwirthe sagt, welche die Fruchtbarkeit des Bodens durch einen wirklichen Raubbau zu Grunde richten: sie haben das Land gemordet?
    Dabei verdient jedoch bemerkt zu werden, daß dieser Vorwurf gegenüber dem Verwalter des Pachthofes zu Chipogan unangebracht gewesen wäre. Thomas Harcher besaß dafür zu tiefe Kenntnisse und wurde von gleichfalls einsichtigen Personen unterstützt, so daß er neben dem seinigen auch den Vortheil seines Gutsherrn im Auge hatte und die Beschuldigung, ein Mörder zu sein, gewiß nicht verdiente. Seine Farm galt allgemein als ein Muster agronomischen Betriebs, und das zu einer Zeit, wo man fast überall noch der von den Großvätern seit zweihundert Jahren vererbten Bewirthschaftungsweise huldigte. Der Pachthof von Chipogan war also einer der bestverwalteten in Montreal. Die hier eingeführte Methode der Koppelwirthschaft ließ den Erdboden nicht zur Verarmung kommen. Man

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