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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Ärmelausschnitte. Sie berührte eine Achselhöhle, eine Brust, das tiefe Dekolleté des Kleids. Sie strich über den Hals und streichelte die feuchte Wange der Frau. Sie spürte, wie der Kopf eifrig nickte.
    Und hörte ein leises Schluchzen.
    Darcy legte Carol eine Hand um den Nacken und zog sie an sich. Die Frau schlang ihre Arme um sie. Greg bewegte sich lautlos zur Seite und umarmte sie beide.
    Carol zitterte beim Weinen, und ihr Atem ging stoßweise.
    Die anderen waren ganz in der Nähe. Sie schienen von vorn und von Darcys rechter Seite auf den Steg zuzukommen – wahrscheinlich waren sie irgendwo gleich hinter dem Bug des Boots.
    Weil Darcy fürchtete, sie könnten Carols abgehackte Atemgeräusche hören, drückte sie sich ihr Gesicht an die Seite des Halses.
    Sie hörte ein dumpfes Klopfen, gefolgt von einem »Uh!«. Jemand musste gegen die Kante des Stegs gestoßen sein.
    »Was ist?« Ein Flüstern. Eine Frauenstimme.
    »Ich bin irgendwo gegengeprallt.« Ein Mann.
    Mein Gott, dachte Darcy, sie können sprechen.
    Klopfende Geräusche auf dem Holz. »Ich weiß, was das ist. Es ist der Pier, an dem die Tourboote liegen.« Das war eine Frau. Sie musste zu denen von der anderen Seite der Mauer gehören, doch sie war mit dieser Seite ebenfalls vertraut.
    Wer zum Teufel sind diese Leute?
    Dann wallte das Wasser auf. Ein plötzliches Dröhnen, als wäre ein schwerer Gegenstand (oder ein Mensch) auf den Steg geworfen worden. Darcy zuckte zusammen. Carol versteifte sich und saugte an der Seite ihres Halses. Darcy spürte, wie Greg ihre Schulter fester packte.
    Dann ertönten schwappende Geräusche, Tropfen, Klopfen und Rascheln.
    Sie klettern auf den Steg, dachte Darcy. Gott sei Dank. Sie suchen uns nicht darunter.
    Sie lauschte aufmerksam. Aus den Geräuschen, die sie machten, während sie sich hochstemmten und auf den Steg zogen, schloss sie, dass es mindestens vier Leute waren. Vielleicht auch fünf.
    Sie gingen nicht weg.
    Darcy wünschte, sie würden sich entfernen, doch sie schienen nirgendwo hinzugehen. Sie vermutete, dass sie sich setzten. Die Fremden hatten das Wasser ungefähr zwei Meter vor ihr verlassen und waren nicht näher herangekommen. Darcy hörte Wasser in den See tropfen; wahrscheinlich rann es von ihren Körpern und floss durch die Ritzen zwischen den Planken.
    Sie sind so verflucht nah, dachte sie. Aber nicht so nah, dass sie ihren Atem hören konnte. Und sie können unseren nicht hören, dachte sie.
    »Lass sie uns für später aufsparen«, flüsterte die Frau, »und die anderen verfolgen.«
    Jemand lachte, als wäre das ein dummer Vorschlag.
    »Ich meine es ernst. Wenn sie zu den Aufzügen kommen, fahren sie hoch und erzählen von uns. Sie werden verraten, was wir getan haben. Dann kommen Leute mit Gewehren runter und …«
    Ein Klatschen. Ein Wimmern.
    »Okay«, stöhnte die Frau.
    Darcy hörte kurze ploppende Geräusche. Sachen klimperten auf das Holz, rollten darüber. Etwas fiel mit einem »Plipp« ins Wasser.
    Knöpfe, dachte sie.
    Lass sie uns für später aufsparen. Sie sparten sie nicht für später auf. Jemand hatte ihre Bluse aufgerissen, sodass die Knöpfe absprangen.
    Dieses erste laute Dröhnen, ehe die anderen auf den Steg geklettert waren. Es war wirklich ein Körper gewesen, der auf das Holz geprallt war. Beth oder Helen, wahrscheinlich eher Helen, denn sie war diejenige, die erst vor ein paar Minuten gefangen worden war.
    Carol, die offenbar zu demselben Schluss gekommen war, drückte sich enger an Darcy.
    Die Geräusche setzten sich fort. Darcy wünschte, sie könnte ihre Ohren verschließen und von dem Wissen über das, was dort oben geschah, verschont bleiben. Doch sie hörte Klopfen, als Glieder angehoben und wieder fallen gelassen wurden, das Reißen von Stoff, das Klimpern einer Gürtelschnalle, das Ruckeln eines Reißverschlusses, und sie konnte geradezu sehen , wie sie dort im Kreis um den Körper hockten und ihn entkleideten.
    Sie werden sie vergewaltigen, dachte sie.
    Sie fragte sich, ob Helen tot war.
    Sie hörte Seufzen und Stöhnen, leises Kichern. Sie überlegte, ob das Stöhnen von Helen kam.
    Nein, Helen ist tot. Sie muss tot sein.
    Wenn sie es nicht wäre, wie könnten wir dann einfach hier unten stehen und uns verstecken, während sie vergewaltigt wird?
    Was, wenn Greg beschließt, sie zu retten?
    So, wie er Darcys Schulter umklammerte, vermutete sie, dass er es erwog.
    Dann ertönte ein feuchtes, reißendes Geräusch.
    Wieder und wieder.
    Etwas begann, vor

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