Die Familie: Roman (German Edition)
weitergehen.«
18
»Gib no ma ’n Schluck«, lallte Kyle, als wäre er betrunken. Paula drückte ihm die Flasche gegen den Bauch. Er nahm sie, hob sie an den Mund und kippte sie. Whisky schwappte gegen seine zusammengepressten Lippen. Er gab Schluckgeräusche von sich, dann seufzte er, sagte: »Gutes Zeuch«, und reichte ihr die Flasche zurück.
»Immer runter damit.« Er hörte, wie Paula trank. »Gut gegen die Sorgen«, sagte sie. »Das sagt mein Vater immer: ›Gut gegen die Sorgen.‹«
»Trinkt dein Dad viel?«
»Jaaa, er ist kein Säufer. Hast du das gemeint? Er ist kein Säufer, aber er trinkt. Ein paar vorm Abendessen, aber nur am Wochenende. Früher war er mal ein Säufer. Wegen Vietnam, hat Mom gesagt. Dann hat er das Auto mit mir und Mom drin zu Schrott gefahren. Das war das letzte Mal, dass er richtig blau war.«
»Is deine Mom da gestorben?«, fragte Kyle.
»Nein. Es wurde niemand verletzt. Ich war erst zwei oder so. Ich kann mich nich mal an den Unfall erinnern. Mom hatte ein Urinismus.«
»Ein was?«
»Ein Uri… ein Aneurysma. Ein Blutgefäß im Gehirn ist geplatzt. Sie ist einfach aus den Latschen gekippt.«
»Gott.« Kyle legte eine Hand auf ihr Knie. Sie saß mit überschlagenen Beinen neben ihm auf dem Schlafsack. Vor einer Weile hatte er den Reißverschluss des Schlafsacks geöffnet, den Stoff auf dem Boden ausgebreitet und über ihre Beine geschlagen. Paulas Knie war warm. Er schob die Hand bis zum Saum ihres Kilts und tätschelte den Oberschenkel.
Er hörte, wie Paula einen weiteren Schluck trank. »Wenigstens ging’s schnell, verstehse? Besser als Krebs oder so’n Scheiß. Oder Aids. Mein Gott. Wenn ich an so’n Scheiß wie Aids denk, krieg ich die Panik. Das reicht für mich, um Jungfrau zu bleiben .«
»Finde ich auch. Es ist einfach zu verdammt gefährlich.« Er hatte vergessen, zu lallen, doch er nahm an, dass es keine Rolle mehr spielte. Paula klang ziemlich betrunken – wahrscheinlich zu betrunken, um es zu merken. Er hatte am Anfang ein paar Schlucke genommen, doch sobald ihm klar geworden war, wie sehr sie ihm ausgeliefert wäre, wenn sie besoffen war, hatte er nur noch vorgegeben zu trinken.
»Du hast es … noch nie getan?«, fragte sie.
»Nein.«
Amy Lawson, dachte er, und plötzlich loderte Unruhe in ihm auf. Was, wenn Amy Lawson es hatte?
»Wie ist deine Mutter gestorben?«, fragte Paula.
»Sie ist nicht gestorben. Sie ist mit einem anderen Typen abgehauen.«
»Ah ja, stimmt ja. Abgehauen.«
»Schlampe.«
»Kommt sie dich besuchen?«
»Sie besucht mich nicht, und sie schreibt mir nicht mal eine beschissene Weihnachtskarte.«
»Das is krass.«
»Seit dem Tag, an dem sie abgehauen ist, habe ich nichts mehr von ihr gehört. Sie hat nicht mal tschüs gesagt. Nur ein Blatt Papier in der Schreibmaschine dagelassen, auf dem stand, dass sie die Nase voll davon hatte, ihr Leben im ›Hotel am Arsch der Welt‹ zu vergeuden, und dass sie mit einem reichen Mann, der am Tag davor ein Zimmer bei uns genommen hatte, weggehen würde. Sie hat geschrieben, wenn sie mich oder Dad niemals wiedersehen würde, wär das immer noch zu früh. Diese Schlampe. Ich hoffe, sie hat ein Aneurysma.«
»O Kyle. Das tut mir leid.«
»Ja. Gut. So viel zum Thema Mütter.«
Er hörte die Flasche leise klirren. Dann drehte sich Paula zu ihm, und ihr Knie stieß gegen die Seite seines Beins. Kyle ließ die Hand an ihrem Schenkel hinaufgleiten, ohne dass sie sich beschwerte. Er spürte die Weichheit ihrer Brust an seinem Oberarm. Ihre Hand fand sein Gesicht und streichelte es. Sie lehnte nicht so stark an ihm, dass er nicht hätte sitzen bleiben können, wenn er gewollt hätte. Doch er wollte nicht. Er ließ sich rückwärts auf den Schlafsack sinken und spürte ihre geschmeidige Haut über seine Hand gleiten, als sie die Beine ausstreckte. Der andere Schenkel berührte seinen Handrücken. Er fühlte den glatten Stoff ihres Schlüpfers. Hitze.
Ich habe es nicht mal selbst getan, dachte er. Nur ein Versehen. Sie war es, weil sie sich so ausgestreckt hat.
Gott.
Ein erregender Strom schien aus ihrem Leib in seine Hand und durch den Arm zu fließen – er prickelte durch seinen gesamten Körper, raubte ihm den Atem, ließ sein Herz rasen und den Penis zu einem dicken Knüppel anschwellen.
Dann legten sich ihre Finger sanft um sein Handgelenk und zogen seine Hand von dem seidenen Stoff, weg von der Hitze und unter dem Rock hervor.
Okay, dachte er. Okay, ich will sie nicht
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