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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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Heimat zu finden. Er heiratet 1983 seine erste Frau Gabriele, die ein Kind von ihm erwartet. Als er am Sinn einer bürgerlichen Ehe zweifelt und sich auch ein Leben ohne Trauschein vorstellen kann, rät ihm sein Vater entschieden zur Heirat: »Ich weiß, wie es ist, unehelich geboren zu sein!« Am 23. Oktober 1983 wird Karoline Luise Brandt geboren, sie ist das erste Enkelkind für Rut und Willy Brandt, und sie wird von beiden geliebt. Doch der Verbindung ist keine lange Dauer vergönnt, die Ehe von Gabriele und Peter Brandt wird 1990 nach Jahren der Trennung geschieden. Peter bemüht sich, ein Familienmensch zu sein, aber von allen Seiten stürmt es auf ihn ein, er fühlt sich als Geisel von Pflicht und Erwartung, er kann weder die familiären noch die beruflichen Herausforderungen spielerisch angehen und sich aus existentiellen Druckkammern befreien. Die Wissenschaft frisst ihre Kinder, und Peter Brandt sitzt an seinem Schreibtisch und kämpft mit Gespenstern wie Vergeblichkeit, Deutschland, Krieg und Frieden, Sinn, Material, Zeit, Identität, Herkunft, Zukunft, Vater, Mutter, Tod. Ohne ersichtlichen Grund erleidet er schmerzhafte Herzattacken, die ihn glauben lassen, er müsse sterben. Alle Symptome einer schweren Herzerkrankung sind gegeben, doch die Untersuchungen bleiben ohne organischen Befund. Wiederholt wird die Diagnose einer funktionellen Herzstörung gestellt, andere Bezeichnungen sind Herzneurose oder Herzphobie. In ihrem Buch »Herzneurose«, das erstmals 1969 erscheint, haben Horst-Eberhard Richter und Dieter Beckmann sich des Krankheitsbildes angenommen, seinen Wandel im Zeitgeist dargestellt und für eine vertiefte und verstärkte psychologische Ursachenforschung plädiert: »Im 1. Weltkrieg zählte die Herzneurose zu den häufigeren Kriegsneurosen. Dies führte sogar zu der Benennung »soldier’s heart«. In der Literatur spiegelte sich fortan bis heute die Widersprüchlichkeit wider, dass die Kranken sich im Grenzland zwischen Innerer Medizin und Psychologischer Medizin bewegen, ihre klinischen Karrieren meist bei den Internisten und Kardiologen beginnen, z.T. dort verbleiben, meist erst später, wenn überhaupt, in die Hände von Psychotherapeuten und Psychiatern gelangen. (…) Was wühlt diese Menschen in ihrem Innern so auf, dass sie den Tod immer wieder unmittelbar vor Augen haben? Was lässt ihre Selbstsicherheit in Intervallen abrupt und wie aus heiterem Himmel total zusammenbrechen? Wo sind die verdeckten psychologischen Wurzeln der scheinbar sinnlosen Anfälle?« Das Fatale für die Betroffenen ist oft, dass ihr Leiden im sozialen Umfeld häufig genug abgetan und nicht ernst genommen wird, auch aus Unkenntnis. So fühlt sich der Leidende ausgeschlossen und abgeschnitten, obwohl er doch vermehrt nach Unterstützung und Halt sucht. Wenn, so ein weitverbreiteter Glaube, hier eine psychosomatische Erkrankung vorliegt, dann muss dem Ganzen doch auch mit dem Willen beizukommen sein! Komm raus, aus deinen Einbildungskäfigen, stell dich nicht so an! Dass mit derart rabiaten Appellen das Messer in der Brust eher noch tiefer wühlt, darf man annehmen.

Als engagierter Demokrat wird Peter Brandt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Klaus Wowereit und Peter Brandt am 25. März 2009 im Berliner Roten Rathaus.
[FernUniversität in Hagen]
    Peter Brandt beginnt Ende der siebziger Jahre eine mehrjährige Analyse, die sich den psychischen Prägungen, den formenden Kindheitsmustern und den seelischen Krisenzonen nähert. Vielleicht stößt der Analysand nicht zu den verschwiegensten Orten seines Selbst durch, aber er gewinnt doch eine gewisse Klarheit, und wenn auch die Herzbeschwerden nicht ganz verschwinden, so kann Peter Brandt mit den Attacken fortan doch weitaus besser zurechtkommen. Nein, ich habe mit Peter Brandt natürlich nicht über die Inhalte der Analyse gesprochen, das verbietet sich, was da auf der Couch oder dem Sessel zur Sprache kam, muss im therapeutischen Rahmen verbleiben, und ich will Peter Brandt auch nicht auf meine papierene Ersatzcouch legen, aber ich versuche doch, mir ein Bild zu machen, denn letztendlich ist dieses Buch ja nichts anderes als der Versuch, eine Familie kennenzulernen, und das funktioniert natürlich nur, wenn man den offiziellen Fotoroman zur Seite legt und stattdessen die privaten Familienalben deutet, die man vorfindet. Mir geht dieses Bild nicht aus dem Kopf, wie Peter Brandt da in seinem Studierzimmer sitzt und um das Pensum zu kämpfen scheint, das

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