Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
einen halbrunden Platz, auf den etwa ein Dutzend Straßen strahlenförmig zuliefen. Auf der anderen Seite erhob sich das Stadttor, dessen Dach von den ersten Sonnenstrahlen berührt wurde. Es zog meine Aufmerksamkeit auf sich, da mir bei meiner Ankunft am Vortag gar nicht die prachtvollen, geflügelten Drachen aus weißem Stein aufgefallen waren, die darauf thronten und die Straße zu überwachen schienen. Plötzlich blieben Longtothe und Ergonthe vor mir stehen. Armaintho gesellte sich zu ihnen.
»Was ist los?«, fragte ich.
Und dann kam der Schock.
Lizlide war da, vor dem hohen Portal, dessen Türen weit offen standen. Sie saß auf einem Tier mit fuchsrotem Fell, das sehr an die Hirsche in unseren Wäldern erinnerte. Das beeindruckende Geweih dieses edlen Tieres hatte spitz zulaufende, fast schwarze Enden. Die Zügel waren am Ansatz der Geweihstangen befestigt. Die junge Elfe hielt sie in der Hand und saß unbeweglich da, als wäre sie bereit zu fliehen, das helle Gesicht in unsere Richtung gewandt. Ihr langes rotbraunes Haar fiel ihr in weiten Locken über die Schultern.
Fregainthe sagte etwas zu mir, das kaum zu mir durchdrang.
»Mach den Mund zu, Thédric, sonst fliegt dein Herz davon.«
Für ihn war dieser Anblick alltäglich. Für mich war er von überirdischer Intensität. Auf dem Weg über den Platz ritten meine drei Begleiter vorweg, was mich genug aufrüttelte, um ihr entgegenzutreten. Der anbrechende Tag unterstrich das zarte Rosa ihrer Haut. Ich war so ergriffen, dass ich kein Wort herausbrachte. Unsere Blicke waren in beiderseitiger Faszination aneinander gefesselt. Ich bemerkte nicht einmal, dass die Litithen an ihr vorbeiritten und sich in aller Ruhe über die Brücke entfernten.
Sie unterbrach das Schweigen als Erste.
»Du weißt, dass unsere Schicksale miteinander verbunden sind, oder?«
»Ja … schon, aber …«
Sie wartete darauf, dass ich weitersprach, doch meine sorgenvollen Gedanken hatten sich bereits verflüchtigt.
»Aber nichts«, beendete ich den Satz.
»Na dann kann es ja losgehen.«
Mit einem simplen Murmeln befahl Lizlide ihrem Hirsch, durch das Stadttor zu gehen. Ich tat es ihr gleich, und so überquerten wir Seite an Seite im goldenen Licht der Morgendämmerung die Brücke.
In der ersten Tageshälfte ritten wir in flottem Tempo und redeten kaum. Die Litithen fanden Lizlides Anwesenheit so natürlich, als gehörte sie einem befreundeten Clan an. Ich dagegen fühlte mich noch immer als Ausländer unter ihnen - akzeptiert, aber noch lange nicht assimiliert. Ich passte nicht ganz in die Gruppe und war mir dessen schmerzlich bewusst. Auch durch meine gute Laune konnte ich das nicht immer verbergen.
Am späten Nachmittag stießen wir auf die ersten Wiesen, die zur weiten Ebene des Fürstentums von Isparin gehörten. Der Horizont kam uns schrecklich finster vor. Das hing nicht nur mit dem schwindenden Tageslicht und den dicken dunkelgrauen Wolken zusammen. Der Schändliche hatte begonnen, seine eroberten Gebiete zu verseuchen. Mit jedem verstreichenden Tag wurde ein glücklicher Ausgang des Krieges ungewisser.
Unterwegs begegneten wir einer eigenartigen Kolonne, die die ganze Breite der gepflasterten Straße einnahm. Wir mussten auf eine Wiese ausweichen, um sie vorbeizulassen. An der Spitze stampften zwei riesige geharnischte Fantronen. Jeder ihrer Schritte wurde von einem kräftigen, heiser klingenden Schnaufer begleitet. Mich beeindruckte besonders das Bronzehorn, das auf ihrem massigen Kopf befestigt war. Wenn diese Ungeheuer in vollem Galopp angriffen, hatten sie sicher die Kraft eines schweren Panzers. Um sie herum marschierten mit großen Schritten ein Dutzend Fantronenführer, die eine Lederrüstung trugen und mit einem Dreizack bewaffnet waren. Als Nächstes kamen drei Herrenritter, wahre Kolosse in nachtblauer Rüstung, deren Nasalhelm trotz des Dämmerlichts türkis glänzte und die erhaben auf ihren fleischfressenden Streitrössern thronten. Den Herrenrittern folgte eine Eskorte aus Fußsoldaten, die beim Marschieren eine kehlige Litanei von sich gaben, sicher einen Kriegsgesang. Am Ende kamen schließlich fünf dreiachsige Wagen mit Speichenrädern aus hellem Holz. Die ersten beiden waren offen und übervoll mit Leuten, vor allem Männern, die sich auf Bänken gegenübersaßen. Erschrocken stellte ich fest, dass es Ausländer waren, von denen einige Touristenkleidung trugen. Die Übrigen waren wie Einheimische gekleidet, sicher Diplomaten und Leute, die
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