Die Farbe der Ewigkeit
gewordenes Jahrmarktskarussell. Sie merkte, wie ihre Knie nachgaben, und im nächsten Moment sackte sie mit einem erstickten Stöhnen zu Boden.
Dann wurde es schwarz um sie herum.
„Miss Fielding?“ Hope spürte einen leichten Schmerz an ihrer Wange und versuchte, das Gesicht abzuwenden, doch irgendetwas hinderte sie daran.
„Nein, nicht wieder einschlafen!“
Sie schlug die Augen auf, kniff sie im nächsten Moment aber geblendet wieder zu. Dann blinzelte sie vorsichtig, und der helle Umriss über ihr fing an, Konturen anzunehmen, verfestigte sich zunehmend und wurde schließlich zum Gesicht von Professor Baxter.
Hope brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren.
Wo war sie? Und wie war sie hierher gekommen? Offenbar hatte man sie auf ihr Zimmer gebracht, aber … Dann brachen die Erinnerungen mit einem Schlag wie eine Sturzflut über sie hinein. Leise schluchzte sie auf.
„Shelly …“
„Nun weinen Sie doch nicht, Miss Fielding … Hope …“ Bruce Baxter war ein großer Mann mit stechenden blauen Augen, einem energischen Kinn und breiten Schultern, der es vermutlich, ohne zu zögern, mit einer ganzen Bande Straßenräuber aufgenommen hätte. Doch Hopes Tränen stand er hilflos gegenüber. Zögernd legte er ihr eine Hand auf den Arm. „Eine ausgesprochen unangenehme Geschichte, das alles … Aber Ihre Gefühlsausbrüche machen Miss Portman auch nicht wieder lebendig!“
Hope schloss die Augen. Tief in ihrem Inneren war sie davon überzeugt, dass es alles ihre Schuld war. Genau wie damals, als ihr Vater ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt verlassen hatte. Und Peters Tod.
Nur mit größter Mühe schaffte sie es, die Fassung wiederzuerlangen und das Chaos in ihrem Kopf einigermaßen zu sortieren. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen und atmete tief durch.
„Und wo ist Nadine?“, fragte sie schließlich. „Sie ist doch nicht hoffentlich auch …?“
Rasch schüttelte er den Kopf. „Nein, Miss Inglewood geht es den Umständen entsprechend gut. Allerdings hat auch sie die Sache mit Miss Portmann stark mitgenommen. Das Hotel war so freundlich, uns ein weiteres Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen heute Nacht beide Ihre Ruhe.“
„Was ist mit Shelly passiert, Professor?“ Als sie seinen forschenden Blick bemerkte, beeilte sie sich, ihm zu versichern: „Keine Angst, ich fange schon nicht gleich wieder an zu heulen. Und außerdem willich es wissen – unbedingt!“
„Vielleicht sollten Sie lieber mit dem inspecteur sprechen“, entgegnete der Professor seufzend. „Er wartet draußen, weil er ohnehin noch mit Ihnen reden wollte. Aber ich erlaube das nur, wenn Sie sich auch wirklich stark genug dafür fühlen.“
Hope nickte. „Schicken Sie ihn ruhig herein“, sagte sie. „Ich schaffe das schon.“
Knapp zwanzig Minuten später war sich Hope ihrer Sache allerdings schon längst nicht mehr so sicher. Schaudernd legte sie das Tatortfoto mit der Vorderseite nach unten zurück auf den Nachttisch. Sie war sich sicher, wenn sie den schrecklichen Anblick auch nur eine Sekunde länger ertragen müsste, würde sie durchdrehen.
„Aber wer …“ Sie schluckte hart. „Wer tut denn so etwas?“
Inspektor Shalhoub zuckte mit den Schultern. Mit seinen dunklen Augen musterte er sie so eindringlich, als ob er bis auf den Grund ihrer Seele blicken könnte. Dabei blieb seine Miene vollkommen versteinert. „Ich kann es Ihnen nicht sagen“, erwiderte er. „Noch nicht. Waren Sie gut mit Miss Portman befreundet?“
„Wir gingen an dieselbe Uni, aber davon abgesehen hatten wir eigentlich nie viel miteinander zu tun. So richtig kennengelernt haben wir uns erst auf dem Flug hierher.“
„Und Sie sind hier, um Professor Baxter bei seinen archäologischen Forschungsarbeiten zu unterstützen?“
„Ja – aber ich verstehe nicht, was das alles mit Shellys Tod zu tun haben soll.“
„Vielleicht alles – vielleicht nichts“, entgegnete er geheimnisvoll. „Ich versuche lediglich herauszufinden, wer ein Interesse daran hatte, Ihre Bekannte zu töten.“
„Wer ein … was?“ Ungläubig starrte Hope ihn an. „Hören Sie, Monsieur l’inspecteur , Shelly war in Ihrem Land ebenso fremd wie Nadine und ich. Sie hatte sich nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier aufgehalten, ehe sie ermordet wurde. Kaum ausreichend Zeit, um sich solch erbitterte Feinde zu machen, finden Sie nicht auch?“
Sofort sah sie wieder das Foto vor sich, das Bashir Shalhoub ihr eben gezeigt hatte.
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