Die Farbe der Gier
ruckartig den Wagen, fuhr auf den Bürgersteig, dann zurück auf die Straße und preschte zum St. Vincent Hospital.
»Guten Tag, Sotheby’s.«
»Lord Poltimore, bitte.«
»Wen darf ich melden, Madam?«
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»Lady Wentworth.« Arabella musste nicht lange warten, bevor Mark an den Apparat kam.
»Wie schön, von Ihnen zu hören, Arabella«, sagte er. »Darf ich fragen, ob Sie kaufen oder verkaufen wollen?«
»Ich benötige nur einen Ratschlag«, erwiderte Arabella. »Aber wenn ich etwas zu verkaufen hätte …«
Mark machte sich Notizen, während er sich die Fragen anhörte, die Arabella offensichtlich sorgsam vorbereitet hatte.
»Als ich noch Kunsthändler war«, fing Mark an, »bevor ich zu Sotheby’s kam, betrug die Kommission üblicherweise zehn Prozent bis zur ersten Million. Wenn abzusehen war, dass das Gemälde mehr als eine Million erzielen würde, handelte ich für gewöhnlich mit dem Verkäufer ein Honorar aus.«
»Und welches Honorar hätten sie ausgehandelt, wenn ich Sie gebeten hätte, den van Gogh zu verkaufen?«
Mark war froh, dass Arabella den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht sehen konnte. Sobald er sich erholt hatte, ließ er sich Zeit, bevor er eine Summe nannte. Dann fügte er rasch hinzu: »Sollten Sie das Bild Sotheby’s zur Versteigerung anvertrauen, würden wir Ihnen selbstverständlich nichts berechnen, Arabella. Wir garantieren Ihnen den vollen Preis, zu dem das Gemälde unter den Hammer kommt.«
»Und wie wollen Sie dann einen Gewinn erzielen?«, fragte Arabella.
»Wir schlagen eine Prämie für den Käufer auf«, erläuterte Mark.
»Ich habe bereits einen Käufer«, sagte Arabella. »Aber vielen Dank für den Rat.«
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25. SEPTEMBER
388
50
OLGA KRANTZ bog um die Ecke und stellte zu ihrer
Erleichterung fest, wie viele Menschen sich auf dem Gehweg tummelten. Sie ging weitere 100 Meter, dann blieb sie vor einem kleinen Hotel stehen und sah die Straße auf und ab, zuversichtlich, dass sie nicht verfolgt wurde.
Dann ging sie durch die Drehtür, die ins Hotel führte, marschierte – die Augen strikt nach vorn gerichtet – an der Rezeption vorbei, wobei sie den Portier ignorierte, der mit einem Touristen sprach, der dem Klang nach aus New York stammte. Ihr Blick fiel auf die Wand mit den Schließfächern, gleich links von der Rezeptionstheke. Sie wartete, bis alle drei Angestellten an der Rezeption beschäftigt waren, bevor sie aktiv wurde.
Sie schaute sich um, ob jemand womöglich dasselbe tun wollte wie sie, zog einen Schlüssel aus ihrer Hüfttasche und steckte ihn in das Schloss von Schließfach 19. Sie drehte den Schlüssel um und öffnete die Tür. Alles war noch genau so, wie sie es zurückgelassen hatte. Olga Krantz entfernte sämtliche Scheine und die beiden Ausweise und stopfte alles in ihre Jackentasche.
Dann verschloss sie die Tür, verließ das Hotel und stand wieder auf der Straße, ohne mit jemandem gesprochen zu haben.
Sie winkte sich ein Taxi herbei, etwas, das sie in den Tagen, als die Kommunisten ihr ihren Job beigebracht hatten, nicht hätte tun können. Sie nannte dem Fahrer eine Bank in Tscherjomuschki, setzte sich auf den Rücksitz und dachte an Oberst Sergei Slatinaru – aber nur für einen kurzen Augenblick.
Sie bedauerte nur, dass sie nicht dazu gekommen war, ihm das linke Ohr abzuschneiden. Gern hätte sie es der Petrescu geschickt, als kleine Erinnerung an ihren Besuch in Rumänien.
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Aber was Olga Krantz mit der Petrescu plante, würde sie für diese Enttäuschung mehr als entschädigen.
Zuerst musste sie sich allerdings darauf konzentrieren, aus Russland herauszukommen. Es mochte leicht gewesen sein, diesen Amateuren in Bukarest zu entfliehen, aber es würde sich als weitaus schwieriger erweisen, einen sicheren Weg nach England zu finden. Inseln stellten immer ein Problem dar: Berge waren so viel einfacher zu überqueren als Gewässer. Sie war an diesem Morgen erschöpft in der russischen Hauptstadt angekommen, nachdem sie seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus auf eigene Verantwortung ständig in Bewegung gewesen war.
Als die Sirenen im Krankenhaus eingesetzt hatten, war Olga Krantz bereits an der Autobahn gewesen. Ein Lastwagenfahrer, der zwei Mal mit ihr schlief und es nicht verdiente zu sterben, hatte sie über die Grenze geschmuggelt. Ein Zug, ein Flugzeug und weitere 300 Dollar sowie 17 Stunden waren nötig, bevor sie endlich in Moskau eintraf. Sofort machte sie sich auf den Weg zum Isla Hotel, ohne die Absicht, dort zu
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