Die Farbe der Gier
beliebteste Souvenir ausgestellt: die Uniform eines Vier-Sterne-Generals mit allen Accessoires – Mütze, Gürtel, Holster und drei Reihen an Verdienstorden. Kein Preisschild, aber die Krantz wusste, dass derzeit 20 Dollar üblich waren. Neben dem General stand ein Admiral für 15 Dollar und dahinter ein KGB-Oberst für zehn.
Obwohl die Krantz kein Interesse daran besaß, den Leuten daheim zu beweisen, dass sie Moskau besucht hatte, vermochte jemand, der die Uniformen eines Generals, Admirals oder KGB-Obersten besorgen konnte, unzweifelhaft auch das zu liefern, was sie benötigte.
Die Krantz betrat das Geschäft und wurde von einer jungen Verkäuferin begrüßt. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich muss in einer privaten Angelegenheit mit Ihrem Chef sprechen«, sagte die Krantz.
Die junge Frau wirkte unschlüssig, aber die Krantz starrte sie so lange an, bis sie schließlich sagte: »Folgen Sie mir.« Sie führte ihre Kundin in den hinteren Teil des Ladens, wo sie schüchtern klopfte, bevor sie die Tür zu einem kleinen Büro öffnete.
Hinter einem riesigen Holzschreibtisch, der mit Papieren, leeren Zigarettenschachteln und einem halb gegessenen Salamibrötchen zugemüllt war, saß ein übergewichtiger Mann in einem ausgebeulten, braunen Anzug. Er trug ein aufgeknöpftes, rotes Hemd, das aussah, als sei es schon lange nicht mehr gewaschen worden. Sein kahler Schädel und der üppige Schnauzer machten es der Krantz schwer, sein Alter zu erraten, obwohl es sich bei ihm ganz offensichtlich um den Geschäftsinhaber handelte.
Er legte beide Hände auf die Tischplatte und sah müde zu ihr auf. Außerdem deutete er ein Lächeln an, aber die Krantz 393
bemerkte nur das Doppelkinn, das er statt eines Halses besaß.
Immer schwierige Verhandlungspartner.
»Womit kann ich dienen?«, fragte er und klang nicht so, als ob er es der Mühe für wert hielt.
Die Krantz erklärte ihm genau, was sie brauchte. Der Geschäftsinhaber hörte in verblüfftem Schweigen zu und brach dann in Gelächter aus.
»Das wird nicht billig«, meinte er zu guter Letzt. »Und es könnte einige Zeit in Anspruch nehmen.«
»Ich brauche die Uniform noch heute Nachmittag«, erklärte die Krantz.
»Das ist nicht machbar.« Er zuckte mit den schweren Schultern.
Die Krantz nahm ein Bündel Banknoten aus ihrer Tasche, schälte einen 100-Dollar-Schein ab und legte ihn vor ihm auf den Schreibtisch. »Heute Nachmittag«, wiederholte sie.
Der Besitzer hob die Augenbrauen, den Blick dabei fest auf Benjamin Franklin geheftet.
»Möglicherweise kenne ich eine Kontaktperson.«
Die Krantz legte einen weiteren Hunderter auf den Schreibtisch.
»Ja, ich glaube, ich habe die ideale Frau für Sie.«
»Ich brauche auch ihren Pass«, verlangte die Krantz.
»Unmöglich.«
Zwei weitere Hunderter gesellten sich zu den Franklin-Zwillingen.
»Machbar«, sagte er, »aber nicht einfach.«
Die Krantz legte noch einmal 200-Dollar auf den Tisch. Jetzt lagen da Sechslinge.
»Aber ich bin sicher, es lässt sich etwas arrangieren.« Er schwieg.
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»Zum richtigen Preis.« Er sah zu seiner Kundin auf, während er die Hände auf seinen Bauch legte.
»1000, wenn alles, was ich brauche, heute Nachmittag zur Verfügung steht.«
»Ich werde mein Bestes versuchen«, versprach der
Geschäftsinhaber.
»Da bin ich ganz sicher«, sagte die Krantz. »Denn für jede Viertelstunde nach …«, sie sah auf ihre Armbanduhr, »… 14
Uhr ziehe ich 100 Dollar ab.«
Der Ladenbesitzer wollte protestieren, überlegte es sich dann aber anders.
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ALS ANNAS TAXI durch die Pforten von Wentworth Hall fuhr, sah sie zu ihrer Überraschung, dass Arabella bereits auf der obersten Eingangsstufe wartete, eine Schrotflinte unter dem rechten Arm und Brunswick und Picton an ihrer Seite. Der Butler öffnete den Wagen, während seine Herrin und die beiden Labradore die Treppe hinunterstiegen, um Anna zu begrüßen.
»Wie schön, Sie wiederzusehen.« Arabella küsste sie auf beide Wangen. »Sie kommen gerade rechtzeitig zum Tee.«
Anna streichelte die Hunde, während sie Arabella die Treppe hinauf ins Haus begleitete. Ein Hausdiener holte ihren Koffer aus dem vorderen Teil des Taxis. Als Anna in die Eingangshalle trat, blieb sie stehen und ließ ihren Blick langsam von Bild zu Bild durch den Raum wandern.
»Ja, es ist schön, wenn man die eigene Familie noch um sich hat«, meinte Arabella, »auch wenn dies ihr letztes Wochenende auf dem Land sein könnte.«
»Wie meinen Sie das?«,
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